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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wilde Seele erschwert werde. Klenk litt sehr. Sah deutlich, doch ohnmächtig, was sich gegen ihn spann. Verdammtes Pech, so liegen zu müssen, mit sehenden Augen und kraftlosen Händen, während die Lahmärsche alles kaputt schlugen, was er angefangen hatte, ihn grinsend und mühelos hinausdrängten. Alle wollten sie ihn forthaben. Der alte Bichler wußte genau, was mit ihm los war, daß er der beste Mann war für bayrische Politik, aber er wollte ihn weghaben,weil er nicht handsam genug war. Bei dem Matthäi war es Eifersucht wegen dieses Frauenzimmers, der Insarowa; er konnte sie übrigens geschenkt haben, der geile Bock. Und so hatte der Hartl seine Gründe, so der Toni Riedler, so andere. Der Kronprinz Maximilian zum Beispiel mochte ihn nicht, weil er nicht höfisch genug war. Er war Monarchist, natürlich, er hatte nichts gegen den Kronprinzen; aber er war Realpolitiker, vorläufig war an die Wiederherstellung der Wittelsbacher nicht zu denken. Auch konnte er, erfüllt von bayrisch-demokratischem Hochmut und geneigt, die andern zu frotzeln, sich’s nicht verkneifen, den Kronprinzen, sooft er mit ihm zusammentraf, spüren zu lassen, daß jetzt er, der Klenk, daran war und nicht der Maximilian. Er hatte zu harte Knochen in der Faust und zuviel Saft im Hirn. Darum war er allen zuwider, und sie arbeiteten, ihn kleinzukriegen.
    Vor einer Woche hatte er sich gesagt, wenn er nicht binnen acht Tagen wieder in seinem Amtszimmer sitze, dann hätten die andern zuviel Vorsprung, dann sei es aus mit ihm. Die Woche war vorbei. Sein Herz vielleicht, aber nicht mehr sein Hirn hatte Hoffnung.
    Als auch sein Herz zu hoffen aufhörte, verging er in Raserei, hilflos, im Bett. Er ließ niemanden vor, sprach drei Tage hindurch kein Wort. Stöhnte, knurrte, stieß Laute so ungehemmter, gefährlicher Wut aus, daß seine Frau erblaßte.
    Am vierten Tag kam der Minister Franz Flaucher, und Klenk, zum Erstaunen seiner Frau, empfing ihn. Der Kollege hatte seinen Dackel mitgebracht, war in ernster, frommer Stimmung. Klenk, nicht geneigt, darauf einzugehen, wurde sogleich sachlich, erklärte, er habe die Übersicht über die Geschäfte verloren, fragte den Kollegen vertraulich, welcher von den Herren jetzt im Justizministerium den Wind mache. Der Flaucher tat erstaunt, drückte sich herum. Der Hartl vermutlich, fragte der Klenk. Der Flaucher rieb sich zwischen Hals und Kragen. Nein, sagte er schließlich, er habe eigentlich nicht den Eindruck, daß es der Hartl sei. Seiner Meinung nach sei es der Messerschmidt.
    Da lachte Klenk. Lachte, trotzdem Lachen ihm den ganzen Körper schütterte und seine Schmerzen vermehrte. Lachte lange, weil es dem Hartl nun doch nicht hinausgegangen war.
    Der Flaucher aber, ihn mißverstehend, knurrte fromm, der Herr Kollege möge nicht so sträflich lachen. Solche Schickung komme wirklich, auf daß sich einer selbst prüfe und besinne. So wenigstens habe er es aufgefaßt, als er zweimal in seinem Leben länger und ernstlich krank gewesen sei. Klenk ließ ihn eine Weile reden. Als aber der Flaucher das drittemal das Wort Demut gebrauchte, sagte er leise, doch unmißverständlich: »Wissen Sie was, Flaucher, jetzt werden nachher Sie Ministerpräsident und lecken mich am Arsch.« Damit drehte er sich um, und es blieb dem Kultusminister nichts übrig, als sich mit seinem Dackel Waldmann zu entfernen, kopfschüttelnd über soviel Hoffart und Genußsucht.
21
Herr Hessreiter diniert in Berlin
    Beglückt atmete Herr Hessreiter die Luft der Station München Hauptbahnhof. Schmeckte hier nicht selbst Rauch und Ruß besser als überall sonst auf der Welt? Er stellte sein Gepäck im Depot ein, trat hinaus auf den Platz. Setzte fröhlich, laut, seinen Elfenbeinstock auf das Pflaster. Er war im Überzieher, den zweiten Mantel, den er im Koffer nicht untergebracht hatte, trug er überm Arm. Er hatte weder den Chauffeur noch sonst wen an die Bahn bestellt. Er fand es originell, mit der Straßenbahn nach Haus zu fahren, stieg in einen der blitzblauen Wagen. Schnupperte mit Wohlbehagen die Luft der bayrischen Hochebene. Die rundschädeligen Menschen gefielen ihm, der Dialekt des Schaffners gefiel ihm. Er stieß den Passagier, der neben ihm saß, leicht an, nur um ihm sagen zu können: »Hoppla, Herr Nachbar.«
    Er ging herum in seinem behaglichen, mit vielen Möbelnangefüllten Haus. Es waren Möbel, wie man sie hundert Jahre zuvor angefertigt hatte, in der sogenannten Biedermeierzeit. Vielfacher skurriler Zierat stand auf den

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