Erfolg
mit einer Widmung.
Erich zeigte unverhohlen, jungenhaft seinen Triumph, daß Johanna gekommen war, bewunderte mit etwas lausbübischer Arroganz ihren Kopf, der im kurzen Haar noch kühner wirke. Er sah hübsch und schneidig aus in einem hellen Hausrock, der auf militärische Art, in Form einer Litewka, gefertigt war. Es gehe ihm gut, erzählte er. Seine Schwierigkeiten lichteten sich. Nach dem Abgeordneten G. krähe kein Hahn mehr, und die Hundevergiftungsgeschichte sei auch auf gutem Wege. Sein Freund von Dellmaier sei gestern aus der Haft entlassen worden, gegen Kaution; er werde übrigens herkommen, ihm beim Abnehmen ihrer Maske behilflich zu sein. Die vaterländische Bewegung, an der er in jeder Hinsicht interessiert sei, mache gute Fortschritte. Es sei eine frische, forsche, farbige Zeit, in der Leute wie er, anstellig und mit etwas Sinn für Humor, sich wohl fühlten. Er ging beflissen hin und her, es ihr angenehm zu machen, schaltete den elektrischen Teekocher ein, legte zwischen den roten Lippen seine sehr weißen Zähne bloß.
Herr von Dellmaier kam. Die beiden, noch unter dem Eindruck der Befreiung aus der Haft, gaben sich weniger blasiert als sonst, jungenhafter, man war lustig. Dann ging man daran, Johannas Maske zu formen. Es zeigte sich, daß sie die Utensilien ihres neuen Verfahrens nicht bereit hatten. Johanna hatte nichts dagegen, daß man sich der üblichen Methode bediente. Sie mußte sich das Gesicht mit Vaseline einfetten, sich auf eine Ottomane legen. Man steckte ihr Papierröhren in die Nase, bat sie, die Augen zu schließen. Strich ihr rasch, geübt die kalte, feuchte Masse ums Antlitz. Da lag sie unter dem Gips, das Gesicht unbewegt, die Augen geschlossen, die Zähne zusammengebissen, in dumpfer Benommenheit. Siedachte vielerlei, rasch wechselnd. Man lag da wie im Grab, feuchte, erdene Masse über sich, nur durch zwei winzige Papierröhrchen vor dem Ersticken geschützt. Sie hörte die beiden hin und her gehen, halblaut sprechen, lachen. Sie kam sich preisgegeben vor, sicher machten sie unzüchtige Witze. Doch nein, deutlich jetzt und im Zusammenhang hörte sie, was sie sprachen. Dellmaier erzählte, wahrscheinlich war es als Neckerei für sie gedacht, eine grotesk grausliche Geschichte, wie er einmal einem toten Schauspieler die Maske abgenommen habe. Die Gipsform wollte nicht los vom Kopf des Toten, ums Verrecken nicht. Der Gips war geradezu verwachsen, festgeleimt. Es kam, weil Dellmaier den Hals hatte mithaben wollen, den Adamsapfel. Er zog und zog, die Unterschneidungen am Kiefer hielten wie Eisen. Mit einem besonders kräftigen Ruck bekam er endlich doch das Negativ in die Hand. Aber mit diesem Ruck hatte er dem Toten den Unterkiefer aufgerissen. Die Zunge quoll aus dem Hals. Aus dem weitaufgerissenen Rachen kam ein Seufzer. Herr von Dellmaier hatte viel erlebt in Krieg und Revolution, aber ein bißchen unheimlich war das doch. Es war übrigens ganz natürlich; die aufgestaute Luft der Luftröhre brach sich Bahn durch die Stimmritze.
Johanna, begraben unter dem Gips, hörte diese Geschichte, hörte das Lachen der Jungen, sagte sich trotzig: Ruhig liegen. Kein Zeichen machen mit der freien Hand. Das wollen sie grade. Sie zwang sich wegzuhören, war auf einmal weit fort, ihre Gedanken krausten sich. Der Gips über ihrem Gesicht wurde heiß, schwer, drückend. Die Stimmen der beiden Jungen waren sehr fern. Wenn sie stürbe, nähme sich wohl noch jemand des Mannes Krüger an? Jetzt neigte man sich über sie, prüfte, ob sich die Masse schon genügend erhärtet habe. Die Dunkelheit um sie nahm viele Farben an. Die Stimme des Windigen, nicht laut und dennoch dröhnend, sagte: »Nur noch zwei Minuten.« Auch das hohe, pfeifende Lachen von Dellmaiers hörte sie und wieder, jetzt sehr fern, die Stimme des Jungen. Sein Gesicht, plötzlich, durch die bunte Dunkelheitum sie herum, kam auf sie zu wie auf der Leinwand eines Kinos, sich rasch ins Gigantische vergrößernd. Stand vor ihren geschlossenen Augen, frech, sehr verderbt.
Nach zehn ewigen Minuten befreite man sie von der Masse. Sie atmete, setzte sich auf, atmete stark. Die beiden hantierten in Hemdärmeln. Sie stellte fest, auflebend, daß das wirkliche Gesicht Erichs anders war, als es ihr in der Nacht unter der Masse erschien. Ein frisches, hübsches Knabengesicht. Während sie sich wusch, überlegte sie, wie ein bißchen Schwere und Dunkelheit um den Kopf genügte, die Welt zu verändern. Was für Dummheiten hatte sie sich da
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