Erfolg
Mordsdummheit gewesen, daß sie sich mit Hessreiter und dem da neben ihr herumgetrieben hatte, während er dasaß und sich abquälte. Ein gutes, sicheres Gefühl kam hoch in ihr für diesen Mann mit dem zerknitterten Gesicht und der gequetschten Stimme, der jetzt wahrscheinlich irgendwo im Hintergrund einer Loge oder in einer Kulisse stand und Witze riß, dem es aber sicher nicht nach Witzen zumute war. Und Johanna, während der widerwärtigeUnsinn auf der Bühne abrollte, während Katharina ihre lässigen, albernen Triumphe feierte, während die Instrumente des Erfinders Druckseis stürmisch bejubelt wurden, sah plötzlich ihren Weg vorgezeichnet, gut und deutlich. Sie wird jetzt mit Tüverlin zusammensein, wird verhüten, daß er sich ein zweites Mal in etwas einläßt wie diese Revue.
Die rollte unterdes zäh und gut klappend weiter. Die unverkennbare Herzlichkeit, mit der das Publikum den lärmenden Bayrischen Löwen empfing, hatte die Menschen auf der Bühne neu stimuliert. Sie holten alle Reserven ihrer Kunst aus den verstecktesten Schlupfwinkeln, hielten mit äußerster Anstrengung das Publikum, bis das letzte, sichere Bild vor der Pause kam, bis jene kleine, freche Marschmelodie aufklang, die den Reiz der Stierkämpfe einfing, verrucht zusammengesetzt aus eleganter Pose und der Lust am Töten. Von der Bühne her zuckte die Freude an dieser Melodie hinunter in das erschlaffende Publikum, spritzte ihm ins Blut, zuckte zurück zur Bühne. Die Schauspielerin Kläre Holz sogleich spürte die neue Kraft, die Tänzerin Insarowa lebte auf. Selbst der Beleuchter Benno Lechner oben auf seiner Brücke, schmutzig, mit dunkler Brille sich vor den Scheinwerfern sichernd, hingegeben an seine Arbeit, die äußerste Umsicht und Präzision verlangte, selbst er summte die Melodie mit. Was dem Zuschauerraum als Glanz und Pracht erschien, war hier oben von seiner Brücke aus eine mühsame Konstruktion aus Holz, Draht, Pappe, die nackten Mädchen waren bekleidet mit einer unappetitlichen Schicht von Puder und Schminke, das ganze süße Gehüpfe war für ihn hier oben eine Wolke von Staub, Fett, Schweiß, üblem Geruch. Aber auch er jetzt genoß die freche, schmissige Melodie. Solange die kleine Melodie da war, gingen seine Gedanken ab von seiner schwierigen, im Grunde unnützen Arbeit. Er dachte an die Revolution, die auch hier einmal losbrechen muß, und wie er Schweinwerfer hinleuchten lassen wird über die großen Plätze, während hunderttausend Menschen die Internationale singen.
Das Publikum wurde mitgerissen von dem Stierkampfbild fast ebenso wie von den Lärminstrumenten. Die offiziellen Komponisten, umbraust von dem Geschrei der Menge, standen auf der großen Bühne, um sie herum, vor und zurück gingen die Stierkämpferinnen, sich an den Händen haltend, die Brüste nackt unter den kurzen, bestickten, offenen Jäckchen, vor und zurück, wellenmäßig, in drei Ketten. Der Vorhang stieg, fiel, zehnmal, zwanzigmal, dreißigmal, die beiden Herren standen inmitten der Mädchen, dick, schwitzend, beglückt, nur sehr flüchtig denkend an einen unangenehmen Dritten.
Die Szene vor der Pause rettete dem ersten Teil den Anschein eines Erfolges. Die Leute standen herum, brummten, ein bißchen zögernd, Anerkennendes. Ungeheuer unter den Herumstehenden fiel ein riesiger Mann auf in einem altväterisch feierlichen Bratenrock mit einem mächtigen, gesträhnten Vollbart und kleinen, tiefliegenden, strahlend blauen Augen. Er machte sich sogleich treuherzig an Osternacher und Greiderer heran. München war eine feine Sache, die Revue war großartig, da fehlte sich nichts, er war begeistert. Ja, der Apostel Petrus war von Oberfernbach nach München gekommen und wollte vorläufig längere Zeit hierbleiben. Herr von Osternacher wußte das; denn der Apostel Petrus war schon bei ihm gewesen. Aber Rochus Daisenberger war ein schlauer Hund. Er merkte, daß Osternacher den Greiderer von diesem Besuch nichts wissen lassen wollte. Er hielt klüglich das Maul, begnügte sich, vom Publikum angestaunt, seine Begeisterung über das Schauspiel vielwortig kundzutun.
Klenk, zwischen Schadenfrohen und etwas Furchtsamen, unbefangene Händedrücke austauschend, ging zur Bühne. Der Stierkämpfermarsch hatte ihn warm gemacht. Er sah Bilder, wüst und großartig, wie er es seiner stupiden, undankbaren Vaterstadt zeigen wird. Er hat die patriotische Bewegung seinen Landsleuten zum Vorteil drehen wollen; darauf haben sie ihn auf kleine, gemeine,
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