Erfolg
ausgeschrieben von 333 333 Reichsmark, beziehungsweise 33 Papiermark, wie dieses Reich durchsichtig und relativ gemacht werdenkann. Zuwiderhandelnde werden mit Zuchthaus von 27 bis 9 Jahren bestraft, im Nichteinbringungsfall mit 33 Tagen Freiheit.
2. Ministerialverordnung. In Zukunft müssen alle nach weislich wahren Sachen auf gelbem Papier geschrieben sein, alle falschen auf weißem.
Gegeben in Niedertannhausen.
Der Statthalter Gottes und der Eisenbahn
zu Wasser und zu Lande.
Fritz Eugen Brendel.«
Dieses Manifest schlug er feierlich im Krankensaal an. Es war auf weißem Papier geschrieben.
26
Vom Glück der Unpersönlichkeit
Herr Pfaundler, eine halbe Stunde vor Beginn der Premiere, während im Büro und auf der Bühne Nervosität herrschte, Verzweiflung, Spannung, gaumentrocknende Angst, krampfig unechter Humor, während überflüssige Weisungen zum hundertstenmal wiederholt wurden und aus irgendeinem läppischen Grunde abergläubische Panik ausbrach, stand unbewegt, jovial. Noch während der Generalprobe, die die Nacht durch bis in den Morgen gedauert hatte, war er von wütiger Reizbarkeit gewesen, hatte roh geschimpft, Ungeschickte brutal weggejagt. Jetzt nachdem solche Nervosität nur schädlich wirken konnte, füllte er sich instinktiv mit fatalistischem Optimismus, verbreitete um sich stiernackige Zuversicht. Ein guter Onkel, Trost und Kraft spendend, ging er herum, vom Büro zur Bühne, schlichtend, beruhigend, machte sich wohlwollend lustig über die Kleinmütigen, spielte der alternden Hauptdarstellerin Kläre Holz ehrlichste Bewunderungüber ihr Aussehen vor, klopfte dem blassen, schwitzenden Komponisten die Schulter, einigen Girls die Schenkel, war voll Lob für gewisse Änderungsvorschläge des ihm nicht sympathischen Beleuchters Benno Lechner, überprüfte zum hundertstenmal mit den Artisten die Sicherheit ihrer Apparatur. Alle diese seine Betätigung wirkte ungeheuer ehrlich und überzeugend. War ehrlich. Denn Herr Pfaundler schob seine Bedenken fort, vergaß, daß er nach Kräften Kunst zurückgedrängt und Fleisch und Flitter vorgerückt hatte. Fühlte sich nicht als Geschäftsmann, sondern als Mäzen. Tat er nicht Dienst an der Kunst und am Volk? Das Bedürfnis nach Lustbarkeit, trotz Inflation und fortgesetzter politischer Krisen, war nicht geringer als das Bedürfnis nach Brot. Herr Pfaundler war überzeugt, der Allgemeinheit nicht weniger notwendig zu sein als der Bäcker oder der Fleischer.
Doch während er nach allen Seiten Glauben und Hoffnung ausstrahlte, wußte er tief im Innern, daß er sich und die andern beschwindelte. Er sah, daß mit dem Komiker Balthasar Hierl der Revue »Höher geht’s nimmer« der Saft ausgeronnen war. Er hätte ebensogut, wahrscheinlich sogar mit mehr Chance und sicher mit mehr persönlicher Befriedigung, an Stelle von Kitsch Kunst verzapfen können. Er sah klar, denn er hatte den Riecher: das Spiel war verloren, ehe es begann.
Unterdes füllte sich das Theater. Es kamen die rundschädeligen Männer von München und ihre sauberen, etwas fleischigen Frauen; der Raum hallte von gemächlichen, groben Stimmen. Es kamen der Maler Greiderer mit einem Haserl und der elegante Herr von Osternacher. Der mopsgesichtige, bezwickerte Dr. Matthäi kam, ein paar stattliche Schauspieler vom Nationaltheater, manche Großkopfige aus dem Herrenklub. Selbst der uralte Professor von Kahlenegger war da, reckend den Vogelkopf über dem riesigen Hals; denn die Revue war angekündigt als Vorstoß der Kunststadt München gegen die materialistische Unkultur Berlins. Viel Aufsehen auch erregte es, daß der Minister Otto Klenk da war, der vorkurzem aus Gesundheitsrücksichten demissioniert hatte. Er saß in einer Loge des ersten Ranges, sehr sichtbar, blaß, mit deutlichen Spuren kaum überstandener Krankheit. Erich Bornhaak hingegen saß auf einem Eckplatz im Parkett, nicht sehr auffällig. Er fühlte sich in einer Glückssträhne jetzt; was er anpackte, geriet. Ein bißchen neugierig wartete er, wer den leeren Platz neben ihm einnehmen werde; er wird bestimmt selbst hier mit seiner Nachbarschaft Glück haben. Aber der Sitz neben ihm blieb bis zum Beginn der Vorstellung leer. Den schlecht rasierten Kaspar Pröckl sah man, die Anni Lechner, hübsch angezogen, vergnügt neben ihm. Viele Kleinbürger waren da, sonntäglich herausgeputzt, erwartungsvoll, die Mütter, Onkel, Tanten, Vettern, Bräutigame der nackten Mädchen.
Vor diesen Leuten also begann nun die Revue »Höher
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