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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Anwalts, dämpfte die tiefe Stimme und sagte vertraulich, es sei seltsam, ausgerechnet dieser junge Erich Bornhaak sei der beste Mann unter den Patrioten. Er sagte das aber nicht feindselig, und sprach gleich darauf von seinem eigenen Sohn, dem Simon, dem Bams, der auch nichts tauge. Aber gut sei es doch, daß er da sei.
    Dann, sehr bald, stand Klenk auf und schickte sich an, zu gehen. Er sagte noch gemütlich: »A propos, Dr. Geyer, wissen Sie, daß ich, wenn ich bloß acht Tage länger im Amt geblieben wäre, Ihren famosen Dr. Krüger amnestiert hätte?« Der Anwalt, noch sitzend, sah den Mann an, der riesig vor ihm stand. Er sah ihm an, daß er nicht log. Er hatte auch keinen Grund zu lügen. Schade, daß der Feind nicht länger an seinem Tisch saß. Schade, daß er ihm nichts von dem vielen gesagt hatte, was er hätte sagen müssen. Schade, daß er ihm nichts versetzen konnte von der Durchschlagskraft dieser letzten Mitteilung. Aber Klenk sagte guten Abend, Klenk entfernte sich, das unverhoffte Zusammensein war aus.
    In den Tagen darauf hatte Klenk Konferenzen mit Geldleuten und Industriellen, von denen sich die Wahrhaft DeutschenUnterstützung erhofften. Es waren keine angenehmen Stunden. Die Herren sprachen von Vaterland, Deutschtum, sittlicher Erneuerung. Allein Klenk wußte gut, sie gaben den Patrioten Geld, weil sie den Roten Leute wegfangen, weiße Organisationen gegen sie aufziehen wollten. Ging es ans Zahlen, dann verließen sie sich nicht auf Gesinnung, dann verlangten sie Garantien, daß ihnen die Wahrhaft Deutschen für ihr Geld auch eine wirklich zuverlässige Rückendeckung gegen die Forderungen der Arbeiter schüfen. Dem Klenk lagen weder die moralischen Sprüche noch das Gefeilsch um die Kosten der einzelnen Organisationsbüros und militärischen Verbände. Auch bemerkte er mit Verdruß, wie beflissen sich alle diese Herren nach der Stellung gerade des Reindl zur patriotischen Bewegung erkundigten. Klenk mochte den Fünften Evangelisten nicht. Er hatte manchmal den Eindruck, als werde er, als werde die ganze Partei von dem Reindl gefrotzelt. Er sah mit Unbehagen, wie weit der Einfluß des Mannes ging.
    Dabei konnte Klenk nicht über mangelnde Erfolge klagen. Seine kräftige, joviale Art machte Eindruck auf die Herren von der Industrie. Allein manchmal, wenn er sah, wie ihnen Vaterland und Profit zu einer unlöslichen moralischen Idee verfilzt waren, an die sie ehrlich glaubten, überkam ihn erschreckend ein ödes Gefühl des Alleinseins. Er dachte daran, wie er einmal vor einem erlegten Steinbock gestanden war, einem seltenen Wild, das ein splendider Gastfreund ihn hatte schießen lassen. Diese Steinböcke waren wunderliche, altmodische Tiere, nicht gewillt, sich zu fügen, verurteilt zum Aussterben, zu einer Existenz in zoologischen Gärten. Sie führten ein hochfahrendes, einsiedlerisches Leben. Kletterten schroffe Felswände hinauf, rätselhaft sicher, unempfindlich gegen die strengste Kälte. Die höchste Spitze suchten sie, stellten sich dort auf wie Statuen, allein, unbeweglich. Achteten es nicht, wenn sie sich die Ohren erfroren. Sie waren von ungeheurer Rauflust. Zähmen ließen sie sich nur, solange sie ganz jung waren; erwachsen, bekamen sie einen finstern, bösartigenHumor, wurden so starrsinnig, daß kein Wärter mit ihnen auskam. An solch einen Steinbock, den er geschossen hatte in den italienischen Alpen, dachte der ehemalige Minister Klenk, während er mit den Herren der Industrie verhandelte, die eines Herzens waren, klarzielig, umgänglich, schlicht rechenhaft, schlicht patriotisch.
    Die Rückreise nach München machte Klenk im Flugzeug. Sah man die Landschaft von oben, dann nahmen die Siedlungen der Menschen einen winzigen Raum ein im Verhältnis zum Ganzen. Was man sah, war Feld, Wald, Fluß, wie es seit tausend Jahren gewesen war. Die Städte, von denen sie soviel hermachten, waren ein Dreck, maß man sie am Ganzen. Wäre jemand vor tausend Jahren hier oben in der Luft gewesen, er hätte trotz all dem Geschrei von Großstadt, Industrie, Fortschritt, sozialen Änderungen das Land unten kaum viel anders gesehen als jetzt er.
    Als er die Donau überflog, dachte er, wahrscheinlich seien wirklich gewisse Arten von Lebewesen dazu verurteilt, im Lauf der Zeit zahm und zivilisiert zu werden. Kann man behaupten, ein Wolf sei rückständiger als ein Hund? Er jedenfalls, nun einmal als Steinbock geboren, denkt nicht daran, ein braver, possierlicher Hausziegenbock zu werden. Er wird auf die

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