Erfolg
blieben ohne Suggestion.
Der Anwalt beschaute den Feind. Der sah trotz seiner künstlichen Forschheit nicht gut aus. Die Joppe schlotterte um ihn, der große, hagere Schädel war knochig. Der Anwalt sah gut jedes kleinste Zeichen von Schwäche. Mit gespaltenem Gefühl. Es hatte ihn gepackt, als er erfuhr, Klenk sei zu den Patrioten übergegangen. Klenk war nicht dumm, Klenk liebte sein Land Bayern. Die Krankheit, der Verlust des Amtes mußte den Mann sehr aus dem Gleis geworfen haben, wenn er jetzt die Interessen dieses Landes preisgab, um König einer lächerlichen Partei zu sein. Dr. Geyer litt darunter, daß der Feind, dem er gegenübersaß, so geschwächt war.
Sehr anders Klenk. Den ganzen Tag hatte er seine zuwidere Benommenheit nicht loswerden können. Sein Herz war Sicherheit gewohnt, und dieses verflucht vernünftige Berlin hatte ihm die elende Fragwürdigkeit seiner verworrenen Politik bis ins Innere bitter zu schmecken gegeben. Es war unangenehm, zwischen den siebengescheiten Berlinern als der Dorftrottel aus Bayern herumzulaufen. Da den überlegen Jovialen zu spielen, kostete schmerzhafte Anstrengung. Hier aber vor diesem bestimmten Einzelnen fand er sich schnell zurecht. Da saß er, der Feind. Zur Zeit war er stark, aber gemeinhin erbärmlich schwach, und natürlich ist man im Recht, wenn man von dem Standpunkt von dem da das Gegenteil vertritt.
»Wissen Sie, Dr. Geyer«, fing er an, »daß man allgemein bedauert, daß Sie von München fort sind? Es ist kein Spaß, gegen so kleine Leute anzutreten, wie Ihre Herren Grunerund Wieninger. Die sind kaputt, bevor man recht hinblasen kann. Es ist schade, daß wir Sie nicht mehr haben.«
Der Anwalt selber fand es schade. Er entbehrte die verfluchte Stadt. Nicht nur weil er dort den Jungen hatte zurücklassen müssen und Klenk, den Feind: auch vieles andere ging ihm ab, seit er in Berlin war. Oft am Sonntagvormittag, so rasch akklimatisiert sich der Mensch auch an das Widerwärtige, wäre er gern in die Tiroler Weinstube gegangen, um voll Widerwillen mit Freunden und Feinden zusammenzuhocken.
Er hatte sich eine Begegnung mit Klenk sehr herbeigewünscht, sich gute Sätze zurechtgelegt, die den andern treffen mußten. Doch im Angesicht des geschlagenen Mannes fand er sie nicht. Er antwortete schwach. Es sei ja genug Ersatz für ihn da. Seitdem sich Herr Kutzner in München auftue, habe doch die Stadt starken Zustrom. Alles Faule seither, das im übrigen Reich sich nicht mehr halten könne, flüchte nach München, vertrauend auf den bayrischen Mangel an Urteilskraft. Aller Mißwachs, der sonst nirgends mehr fortkomme, baue sich an der Isar an. Mit Grund. Der bayrische Boden sei gut gedüngt für solchen Pflanz.
Klenk dachte an den General Vesemann und fand, der andere habe nicht so unrecht. Aber er fand auch, daß er sich flau ausdrückte und nicht auf der Höhe war. Er ging nicht weiter darauf ein. Vielmehr erriet er, der Gestürzte, an dem Gegner mit sicherem Trieb die einzige schwache Stelle. Er hub an und sagte, da sitze man also gemütlich zusammen. Es sei erfreulich, daß man scharfe, politische Gegensätze vertreten und doch so gut miteinander auskommen könne. Er treffe jetzt, wo er sich die Politik behaglich als Privatmann anschaue, zuweilen unter den Patrioten einen jungen Herrn, der dem Abgeordneten Geyer, soviel er wisse, nahestehe. So schließe sich immer wieder der Kreis.
Dem Dr. Geyer, als Klenk dies sagte, setzte das Herz aus, es war ihm, als dränge es hoch bis in den Mund. Nun also kam es von dieser Seite. Nun also werden sie sich verbünden,der Feind und der Junge, gegen ihn. Dabei spürte er ein mürrisches Verlangen, den Klenk zu fragen, wie es dem Jungen gehe. Aber er bezwang dieses Verlangen, und auch das Verlangen, den Gegner seinen Sturz schmecken zu lassen, bezwang er. Er fragte nicht, und er beschimpfte nicht. Er sah nur immer Klenk an und sah, daß dieser sprach. Und als er wieder hinhörte, hörte er, daß er gar nicht zu ihm, sondern für sich selber sprach. Es sprach aber Klenk von Kindern, von Söhnen. Wie man in den Fragen der Vererbung im ungewissen tappe, und wie wenig Festes einem die Wissenschaft gebe. Dabei sei es gefühlsmäßig ganz einfach. Man wolle sich halt fortsetzen, man könne es nicht ausdenken, daß man einmal nicht mehr da sei. Darum suche man in seinen Kindern sich selber, darum wünsche man seine Kinder so, wie man selber sei. Und er rückte den großen, harten Schädel näher an den dünnen, nervösen des
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