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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Er ersteigerte das Schiffsmodell.
    Katharina schaute befriedigt zu, wie die Schiffsmodelleweggingen, die so störend von der Decke heruntergehangen waren. Es war gut, daß hier Luft wurde, es war gut, daß der Reindl hier einzog, daß an die Stelle des seligen Herrn von Radolny Herr Hessreiter rückte. Nach den Schiffsmodellen kamen die großen, plumpen Weltkugeln an die Reihe, dann die Puppen. Der Matthäi, der alte Messerschmidt erwarben mehr, als sie verantworten konnten. Es wurde Luft in der Seestraße.
    Herr Hessreiter mittlerweile beendete seinen Spaziergang. Katharina hatte ihn eingeladen, den Abend und die Nacht in Luitpoldsbrunn zu verbringen; aber er war voll Groll und Melancholie und wollte seine zornige Trauer in Einsamkeit ausschmecken, wie es sich gehörte. Er war jetzt ein armer Mann, und die Armut hat ihre Gesetze. Es bereitete ihm ein finsteres Behagen, sich diesen Gesetzen zu fügen. Er kaufte eine Semmel und ein Stück Leberkäs, eine aus Mehl und Leberfleisch gemischte Speise. Er stieg, die Mühsal ganz auskostend, die vielen Stufen ins Juchhe zu seiner neuen Wohnung. Kein Tischtuch nahm er, kein Besteck, keinen Teller. Auf nacktem Tisch aß er, auf dem Papier, in das sein Leberkäs gewickelt war. Es war freilich ein besonders schöner Empiretisch, er hätte bei der Versteigerung einen guten Preis erzielt, und Herr Hessreiter gab sehr acht, ihn nicht zu beschmutzen.
    Dann legte er sich in das breite, niedrige Biedermeierbett. Er konnte sich’s nicht versagen, mit sachter Hand den Zierat der vergoldeten Exoten zu streichelte. Das wenigstens hatte er gerettet. Er versuchte zu lesen. Der Geruch des Leberkäspapiers, das er auf dem Tisch hatte liegenlassen, störte ihn. Er stand auf, nahm das Papier, spülte es in der Toilette hinunter. Die Äolsharfe klang. Sie nahm wenig Raum ein und begleitete ihn in die Armut.
15
Kaspar Pröckl verschwindet gegen Osten
    Der Ingenieur Kaspar Pröckl hatte die Marschorder, die er sich damals bei der Verbrennung des »Bescheidenen Tieres« ausgestellt hatte, mit Reißnägeln über seinem Bett befestigt. Ins Russische übertragen, damit die Anni sie nicht lesen könne. Punkt 1, die Sache mit dem Kapitalisten Reindl, war erledigt. Die Bayrischen Kraftfahrzeugwerke bauten die Fabrik in Nishnij Nowgorod aus, sein Vertrag war perfekt, er wird binnen kurzem als Chefingenieur dorthin übersiedeln. Punkt 1 konnte er ausstreichen. Punkt 2, die Sache mit dem Strafgefangenen Martin Krüger, hatte sich leider von selber erledigt, und ehe Kaspar dem Martin Krüger dazu verholfen hatte, sich durchzubeißen. Wie immer, auch dieser Punkt war gestrichen. Nicht erledigt aber war Punkt 3, die Sache mit dem Mädchen Anna Lechner. Kaspar Pröckl hatte programmgemäß an sie die Frage gerichtet, ob sie in die Partei eintreten und mit ihm nach Rußland gehen wolle. Er war erregt gewesen. Man hatte nicht bloß zusammen gegessen und zusammen im Bett gelegen, es war, Theorie hin, Theorie her, mehr zwischen ihm und diesem Mädchen. Er hatte eine kleinbürgerliche Szene gefürchtet, Vorwürfe, Bitten, Kränkungen und zuletzt ein Gelächter und ein Nein. Er hatte sich geirrt. Die Anni saß eine Weile nachdenklich und erwiderte dann vernünftig, auf den ersten Hieb könne eines da keine Antwort geben. Er möge sich gedulden, sie werde ihm rechtzeitig Bescheid sagen.
    Kaspar Pröckl, nun er wußte, daß er München bald und für immer verlassen werde, beschaute die Stadt mit neuem Blick. Er war in München geboren, niemals weit aus dieser Stadt herausgekommen. Alle Flüsse waren ihm wie der Fluß Isar, alle Natur wie der Englische Garten, aller Verkehr wie das Leben am Stachus, der Umkreis der Frauentürme war seineWelt. Er wußte, daß München eine Bauernstadt war, verknorpelt im Alten, übel reaktionär. Aber dieses Wissen war nur in seinem Hirn, ins Blut war es ihm nie gedrungen. Jetzt mühte er sich, seine Vaterstadt klein zu sehen, schäbig, verächtlich, sie messend an gigantischen Phantasiebildern. Es gelang nicht recht.
    Er strich durch die Straßen, wo er als Kind mit andern um kleine, farbige Steinkugeln gespielt hatte, die andern tyrannisierend, immer bestrebt, Erster zu sein. Er stand vor dem Haus, in dem er geboren war, vor dem Bürogebäude, von dem er den Vater abgeholt hatte. Er dachte in diesen Tagen viel an seinen Vater. Wie der, da er selber nichts erreichte, seinen ganzen Ehrgeiz auf ihn, den Kaspar, warf. Er duckte den Sohn, aber er war stolz auf seinen gescheiten Buben.

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