Erfolg
selber wackelten. Vor seinen Freunden war Herr Hessreiter nach wie vor der große Geschäftsmann, sorglos, unerschüttert, erhaben über jede Konjunktur; in seinem Büro zappelte er sich ab, schlug um sich, schnappte nach Luft.
Ostern kam. Um diese Zeit pflegte man nach dem Süden zu fahren. Ob er keine Reisepläne habe, fragte Frau von Radolny. Ihr ging es gut, ihre Rente war üppig aufgewertet, Luitpoldsbrunn war entschuldet, ausgerüstet mit modernen Maschinen. Ach, wie gern wäre Herr Hessreiter gereist. Verlockend vor ihm standen Hotels an italienischen Seen, südtirolische Läden, in denen man herumkramen konnte unter gemütvollen Kuriositäten, geeignet für das Haus in der Seestraße. Statt dessen verlangten drohend nach ihm gerichtliche Termine, Gläubigerversammlungen. Natürlich, sagte er, werde man reisen. Er schlage den Comer See vor, hinterher vielleicht ein paar Tage Riviera. »Aber du kannst doch erst fort«, mahnte gelassen Frau von Radolny, »wenn du die Geschichte mit dem Pernreuther geregelt hast«, und sie nannte den Namen seines schlimmsten Gläubigers.
Herr Hessreiter ruderte mit den Armen, wich aus, hierhin,dorthin. Es erwies sich, daß Katharina mit seiner Lage genau vertraut war. Sie sah in alle Winkel, unerbittlich, viel deutlicher als er. Sie saß da, groß, das schöne Gesicht blühend unter dem kupferroten Haar, und sie rechnete kühl, ohne ein Wort des Vorwurfs, die Summe zusammen, die er brauchte. Keine kleine Summe.
Sie sei bereit, erklärte sie, das Geld für ihn aufzutreiben. Und dann könne man auch an den Comer See. Die Bedingungen, zu denen sie die notwendige Summe beschaffen konnte, waren nicht angenehm. Auch wurde nicht recht klar, wer eigentlich das Geld geben sollte. Klar wurde nur, daß sie Bürgschaft stellen, daß ihr Gut Luitpoldsbrunn haften mußte. Sie kannte das Leben, sie kam von unten herauf, hatte erst in den letzten Zeiten noch erfahren, wieviel Wechselfälle auch den scheinbar Sicheren bedrohen. Wenn sie Paul helfen soll, dann, das mußte er begreifen, brauchte sie Garantien. Künstlerische Abschweifungen, Seitensprünge wie die Serie »Stierkampf« und ähnlichen Luxus werden sich die Süddeutschen Keramiken in Zukunft verkneifen müssen. Herr Hessreiter persönlich wird nicht umhinkommen, sich auf einen etwas weniger weiträumigen Lebensstil einzurichten. Man wird gut tun, gemeinsamen Haushalt zu führen. Genügt nicht das schöne Haus in Luitpoldsbrunn? Für das Haus in der Seestraße weiß sie einen solventen Käufer. Ihr Zusammenleben wird man zu Zwecken des gemeinsamen Haushalts am besten legalisieren, man wird auf dem Petersberg vorsprechen, beim Standesamt. Das alles wird gar nicht so umständlich sein, wie es ausschaut; die ganze Angelegenheit braucht wenige Wochen. Man wird nach Italien können, noch ehe es zu heiß wird. Gelassen kam, liebenswürdig, ihre sonore Stimme aus dem starken Mund, resolut, doch ruhevoll, als spreche sie über den Wechsel eines Dienstmädchens.
Paul Hessreiter, als sie begann, war hin und her gegangen. Als sie sagte, daß allenfalls sie das Geld schaffen wolle, war er mitten im Schritt stehengeblieben. Dann, mit jedem Satz von ihr, wich er weiter zurück, bis er schließlich an die Wand gedrücktstand, den kleinen Mund töricht halboffen, die braunen, schleierigen Augen angstvoll auf dem schönen Gesicht der Frau. Langsam, während sie sprach, stürzte sein ganzes vierundvierzigjähriges Leben ein. Aus allen Winkeln seines Hirns, in großer Panik, raffte er Ausflüchte zusammen, Schönfärbereien. Doch schon bevor er sie recht bedachte, wußte er, daß das Bruch war und daß die Frau recht hatte. Wußte, daß er sich allem fügen mußte, was sie anordnete. Jeder neue Satz war ein Schlag auf seinen Kopf. Er war vielleicht kein bedeutender Mann, wie er sich manchmal vorgemacht hatte, aber er hatte sein gutes Münchner Herz, und nun hatten sie so lange zusammen gelebt, und er begriff nicht, wie eines so grausam sein konnte wie da die Frau.
Sie war zu Ende. Herr Hessreiter, langsam, erholte sich, löste sich von der Wand, redete. Es wurde eine lange Rede. Katharinas ruhevolle Augen folgten langsam dem hin und her gehenden Mann. Sie sagte gar nichts, und als er endlich fertig war, lächelte sie nicht einmal. Da sah Herr Hessreiter nackt und bitter deutlich, woran er war. Er wurde für eine ewige halbe Minute grau und alt.
Dann, hilflos, gutmütig, begann er von neuem auf sie einzureden. Die Kunst in den Süddeutschen Keramiken
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