Erfolg
Jetzt sagt er auch noch, ich bin ein Antisemit, der Saujud, der dreckige.« Im übrigen war er stolz vor sich selber, wie wenig Stolz er hatte. Die Grüabigen wollten ihn wieder zum Vize haben, aber er weigerte sich. Sie sagten: geh zu. Aber er nahm und nahm die Ehre nicht an.
Grollte der Alte im Innern seiner Tochter Anni, so hatte er um so mehr Freude an seinem Sohn Beni. Am Tag, da Cajetan Lechner im Zylinder als Trauzeuge am Petersberg gestandenwar, hatte er alle Hoffnungen für sich eingepackt. Er wird es nicht mehr schaffen, aber wer hochkommen wird, das ist sein Sohn Beni. Für den erwies sich die Heirat mit der Kassierin Zenzi wirklich als großes Glück. Man konnte es ihm ansehen, wie er unter dem Einfluß der Zenzi aus einem roten Hund mehr und mehr zu einem anständigen Menschen wurde. Mit Genugtuung nahm der Alte wahr, wie der Beni seinen Schläfenbart von Woche zu Woche tiefer in die Wangen stehenließ.
Ein Vorgang eigentlich ohne Bedeutung riß das letzte Mißtrauen zwischen Vater und Sohn nieder. Der Alte hatte nämlich seinerzeit und seither wohl noch oft mit dem Beni und der Anni über den Prozeß Martin Krüger diskutiert und wohl auch einiges Herbe über den Schlawiner Krüger geäußert. Aber jetzt erst, nachdem der Mann Krüger seit mehr als einem Jahr tot und verbrannt war, kam es an den Tag, daß seine Kinder nicht daran gezweifelt hatten, er habe den Krüger mit verurteilt. Wo doch er und der Hessreiter diejenigen waren, die die Schuld des Krüger verneint hatten. Wie sich das jetzt endlich durch einen beiläufigen Satz herausstellte, waren die Kinder einfach umgeschmissen. Da allerdings hatte es ihm gestunken, daß man ihn für einen solchen Unmenschen hatte halten können, und mit seiner Demut war es aus. Geschimpft wie ein Feldwebel hatte er über diese neumodische Jugend, die dem eigenen Vater solche Gemeinheit zutraut. Es war ein segensreicher Ausbruch. Seither betrachtete der Beni seinen Vater mit einem wirklichen Respekt, die letzte Fremdheit war fort. Vertrauen und Herzlichkeit war zwischen den beiden Männern.
Dem Beni tat das not. Er hatte keine rechten Spezln mehr. Die Genossen von der Roten Sieben, seitdem er die Zenzi geheiratet und die elektrotechnische Werkstatt gekauft hatte, frotzelten ihn, daß es schon nicht mehr schön war. War er nicht im Zuchthaus gesessen für die Partei? Er verbiß sich, wurde trotzig, kam immer seltener in die »Hundskugel«. Schloß sich dafür enger an die Zenzi. Gewiß, von wirtschaftlichenZusammenhängen, von Mehrwert und Klassenkampf hatte die keine Ahnung. Um so besser, das mußte man ihr lassen, verstand sie sich auf die eigene Wirtschaft. Die Werkstatt ging, man lebte gut.
Der alte Cajetan Lechner konstatierte es mit Befriedigung. Er hatte es nicht erreicht, aber mit seiner Familie ging es schnell aufwärts. Das beste war, daß für den Beni noch freie Zeit herausschaute, seine Studien und Basteleien weiterzutreiben. Man hatte ihn am Nationaltheater nicht vergessen, man zog, wenn es um Schwieriges ging, den erfindungsreichen Beleuchter gerne zu. Für diese Betätigung seines Sohnes hatte der Alte ein leidenschaftliches Interesse. Emsig, wenn der Beni davon erzählte, kaute er aus seinem kropfigen Hals Ausrufe des Staunens und der Anerkennung, geschwellt von Freude, daß seine eigenen künstlerischen Neigungen jetzt so großartig aufgingen in seinem Sohn. Der geschmeichelte Beni konstruierte für den Klub Die Grüabigen eine kunstvolle Anlage, die automatisch durch Lichtsignale anzeigte, wieviel Kegel gefallen waren.
Und die Familie Lechner stieg höher. Als die Kassierin Zenzi einen gesunden, ehelichen Knaben zur Welt brachte, kam es freilich zu einem letzten, großen Streit zwischen ihr und dem Beni. Anläßlich der Geburt seines Sohnes nämlich regte sich in Benno Lechner der revolutionäre Geist. Sein Sohn sollte Wladimir heißen, nach Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, dem Begründer des neuen Russenstaates. Die Zenzi sträubte sich dagegen. Unter keinen Umständen duldete sie so einen saublöden, heidnischen Namen. Sie wollte für das Kind zum Paten haben einen ihrer Stammgäste aus der Tiroler Weinstube, einen Großkopfigen, der ihnen aber doch die Ehre antun wird, denn er hält große Stücke auf sie, den Geheimrat Josef Dingharder von der Kapuzinerbrauerei. Das aber ließ Benno Lechner unter keinen Umständen zu. Tage hindurch ging der Kampf. Man einigte sich schließlich dahin, daß der alte Lechner Pate sein sollte.
Weitere Kostenlose Bücher