Erfolg
saublöde Bagage den schönen Platz verschandelte, schaffte ihm eine kleine Erleichterung.
In der Seestraße indes war Geschäft und Leidenschaft. Die Biedermeier- und Empiremöbel, die Vitrinen, der ganze gemütvolle, skurrile Zierat, das Geschirr und Gerät, für große Gesellschaften bestimmt, die Kostüme, Tücher, Bilder, Skulpturen wurden zum ersten, zweiten, dritten ausgeboten, verkauft. Es waren nicht lauter lieblose Hände, in die der viele Kleinkram gelangte. Manche der neuen Besitzer strahltenüber ihren Erwerb; Greiderer, Matthäi, der alte Messerschmidt hatten einen guten Tag.
Versteigert auch wurde das Selbstporträt der Anna Elisabeth Haider, Herr Hessreiter hatte es mitnehmen, in seinem neuen Schlafraum aufhängen wollen, Frau von Radolny hatte das nicht gewünscht. Jetzt also bot der Auktionator das Aktbild aus, und mit hilflos rührend gerecktem Hals blickte das tote Mädchen in die Versammlung. Gelockt und mit Unbehagen schaute man auf die vielberedete Leinwand. Das Bild hatte Verwirrung gestiftet, Unglück, Skandal, seiner Malerin war es nicht gut bekommen, dem Manne Krüger, der es als erster entdeckt und aufgehängt hatte, war es nicht gut bekommen, auch dem Hessreiter, das zeigte sich jetzt, war es nicht zum Segen ausgeschlagen. Vorteil gebracht hatte es nur einem, dem Kunsthändler Novodny. Der tat denn auch heute das erste Angebot. Ernsthaft mit bot nur der Maler Greiderer. Nach kurzem Hin und Her wurde der Akt dem Kunsthändler zugeschlagen.
Frau von Radolny wußte, für wen er das Bild erwarb, daß es jetzt dem Manne gehörte, der auch das Haus gekauft hatte, dem Fünften Evangelisten. Sie war, seit der Stabilisierung, gut befreundet mit Herrn von Reindl. Sie hatte mit Achtung zugeschaut, wie klug der und rechtzeitig sich auf den Umschwung eingestellt hatte. Auch gefiel ihr, daß er, das Gewonnene kaum gefestigt, von seinen Geschäften abließ und seine Tage wie in seiner Jugend mit den soviel wichtigeren Nebendingen füllte.
Sie schaute hinüber zu ihm. Er schien nicht sehr beteiligt an der Versteigerung; selbst auf den kurzen Kampf des Kunsthändlers Novodny mit dem Maler Greiderer hatte er kaum geachtet. Fleischig in seinem tiefen Sessel saß er, die Beine von sich gestreckt, faul hinhörend auf Herrn Pfaundler, der neben ihm stand. Ja, Katharina hatte Herrn Pfaundler, trotzdem er es nicht um sie verdiente, endlich den langersehnten Kontakt mit dem Fünften Evangelisten verschafft. Mit dem stabilisierten Geld war die alte Festfreudigkeit nachMünchen zurückgekehrt: Herr Pfaundler war im Aufstieg. Katharina teilte seine Meinung, man müsse nur den nächsten Fasching auf die alte Höhe bringen, ihn pfundig und ausgiebig machen wie früher, dann werde die Stadt wie früher von selbst wieder das Zentrum der deutschen Festfreude werden. So ein richtiger Fasching freilich erforderte Organisation, Kapital. Sie konnte es nur billigen, wenn Pfaundler sich schon jetzt im Mai die Hilfe des Reindl für den Winter sicherte.
Gerade wurden die Schiffsmodelle versteigert. Herr Pfaundler bot mit. Es waren ziemlich viele Interessenten da, Herr Pfaundler blieb hartnäckig. Der Reindl aus seinem Sessel schaute schläfrig und erheitert zu ihm auf. Herr Pfaundler wollte das Schiff haben, er sah darin ein Wahrzeichen. Er fühlte sich als großer Abenteurer, seine Pläne gingen weiter, als Frau von Radolny ahnte. Wenn von den beiden guten Dingen Münchens das erste, das Bier, sich exportieren ließ, warum nicht auch das zweite, das Festliche, der Fasching? Was dem Kutzner nicht geglückt ist, der Marsch nach Berlin, er war der rechte Mann, das zu schaffen. Schon haben die großen Münchner Bräuhäuser ihre Filialen in Berlin, schon gibt es dort Münchner Bockbierfeste. Er wird das ausbauen. Ein Monstre-Etablissement wird er errichten mitten im Herzen der verhaßten Stadt. Haus Bavaria wird es heißen, und darbieten wird er dort die Herrlichkeiten Bayerns. Ein Gebirgsdorf, eine Alm mit lebendigem Rindvieh, eine Hofbräuhausschwemme, einen Salvatorkeller, alles künstlich, Theresienwiese und Oktoberfest, eine Gebirgsbahn, Jodler und Schuhplattler, und jeden Abend ein ganzer Ochs am Spieß gebraten, und Alpenglühen jeden Abend. Dreitausend Menschen, Nacht für Nacht, mitten in der saupreußischen Hauptstadt werden singen: »Solang der alte Peter« und »Ein Prosit der Gemütlichkeit«. Er wird das schon erkraften, er wird es erzwingen. Er wird den Reindl ganz auf seine Seite kriegen. Er war gut in Fahrt.
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