Erfolg
aufzustecken gebe ihm einen Riß durch und durch; aber gut, da sie es partout wolle, er sei konziliant, er stecke auf. Heiraten, er sehe da keine großen Ersparnisse; aber da sie glaube, ohne den Petersberg gehe es nicht, gut, einverstanden, Petersberg. Nur sein Haus, das schöne Haus an der Seestraße, nein, sie möge entschuldigen, da sei er nicht ihrer Meinung. Die Zeit, die Mühe, den Geschmack, das Leben, das Herz, das er da hineingesteckt habe, das könne ihm keiner herauszahlen. Es wäre ein Jammer und ein Unsinn, das wegzugeben. Wie überhaupt sie sich das vorstelle? Sie seien keine Bauern, sie brauchten die Stadt, sie könnten nicht das ganze Jahr auf dem Land leben. Das sei einfach ausgeschlossen.
Frau von Radolny meinte, so habe sie sich das auch nicht gedacht. Er könne ja eine Etagenwohnung in München mieten,eine Atelierwohnung, einiges aus dem Haus in der Seestraße könne er dort wohl unterbringen. Er müsse sich halt in Gottes Namen behelfen. »Ich habe mich auch manchmal behelfen müssen«, sagte sie. Sie hob kaum die Stimme, sie sprach weiter gelassen und liebenswürdig, aber wie sie das sagte: ich habe mich auch manchmal behelfen müssen, das bewirkte, daß Herr Hessreiter aufging: jede Widerrede war sinnlos. Er wußte, es war nicht ihre finanziell dreckige Zeit, die sie im Aug hatte, sondern jene, da sie ihm nach Paris schrieb und er ihre Briefe geschäftsmäßig freundlich erwiderte.
Frau von Radolny nahm also die Sache in die Hand, und es ging alles sehr schnell. Sie verkaufte das Haus in der Seestraße an irgendwen, der fraglos nur eines andern Mittelsmann war. Herr Hessreiter selber wußte nicht, wem jetzt sein Haus gehörte. Es galt nun, eine Wohnung zu mieten, auf Jahre hinaus festzulegen, welche Wände, welche Straßen man vor Augen haben, welche Luft man atmen sollte. Darüber mußte man mit sich selber, mit Freunden, mit Künstlern gründlich zu Rate gehen, dazu brauchte ein Mensch von Kultur Monate. Allein Frau von Radolny fackelte auch da nicht lange. Statt der neun großen und fünf kleinen Räume, die Herr Hessreiter in der Seestraße zur Verfügung standen, die kleinen Kammern und Gelasse nicht eingerechnet, bekam er jetzt ein Atelier und einen Schlafraum in der Elisabethstraße, in einem Mietshaus, im vierten Stock: im Juchhe . Als Juchhe bezeichnete man in jener Stadt verächtlich die obersten Stockwerke der Häuser; denn dort oben war es hoch wie auf den Gipfeln der Berge, und es kam einen die Lust an, zu jodeln und Juchhe zu rufen. Allein Herr Hessreiter hatte kein Verlangen zu jodeln. Es reute ihn nicht sehr, daß er nicht mehr der große Geschäftsmann war: aber daß er sein Haus verlor, seine Möbel, das höhlte ihn aus. Ein Menschenherz ist nicht groß, es war erstaunlich, wieviel Gerät, wieviel Schreibtische, Sessel, Sofas, Ruhebetten in Herrn Hessreiters Herzen Platz hatten. In seinem Herzen, nicht aber in seinem neuen Atelier in der Elisabethstraße. Wenn er das große Bettmit den vergoldeten Exoten in den Schlafraum stellte, dann konnte man sich nicht mehr umdrehen. Wohin mit den Vitrinen, den Schiffsmodellen, der Eisernen Jungfrau , seinem Lieblingsfolterinstrument, dem ganzen lustigen, herzerquickenden Krimskrams? Frau von Radolny wünschte keinen einzigen Gegenstand nach Luitpoldsbrunn zu übernehmen; alles, was er nicht in der Elisabethstraße unterbringen konnte, sollte veräußert, versteigert werden. Zum erstenmal begehrte Herr Hessreiter auf. Sein Widerstand dauerte nicht lange.
An einem der letzten Apriltage fand die Versteigerung statt. Von den Mitgliedern des Kaufmannskasinos, des Herrenklubs waren sehr viele da, die Räume in der Seestraße waren überfüllt von Neugierigen, von Käufern.
Herr Hessreiter war nicht dabei, als sein Hausrat versteigert wurde. Es war ein schöner, heller Tag, er ging spazieren im Englischen Garten, den Schritt träg federnd, den Spazierstock mit dem Elfenbeinknopf schwingend. Es ist doch eine Schweinerei, dachte er. So ein Blödsinn, das auseinanderzureißen, und er stellte sich vor, wie seine mit Mühe zusammengetragenen Dinge zerstreut wurden in fremde, dumme, lieblose Hände. Er hatte Lust, in die neugierige Versammlung zu gehen, aus der er sicher die meisten kannte, die neuen Besitzer mit jovialen, leicht bitteren Anmerkungen zu beglückwünschen. Aber er tat es nicht. Er entfernte sich immer weiter von der Seestraße. Er kam zur Feldherrnhalle. Der Ärger über das damische nette Mahnmal, mit dem jetzt wieder die
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