Erfolg
die regelmäßig und frühzeitig zu Bett zu gehen pflege. Ihre, Johannas, Zimmer seien abgelegen und ungestört. Dr. Krüger, im Besitz eines Schlüssels, habe bequem ungesehen und ungehört zu ihr gelangen können. Das Feixen des windigen Geschworenen von Dellmaier hatte aufgehört, er nickte innig zustimmend, beflissen, sachverständig. Der Staatsanwalt seinerseits nahm sich vor, das Verhalten der sauberen Frau Tante ein wenig auf Kuppelei hin zu beklopfen.
Ob die Zeugin Krain, inquirierte er weiter, gewußt habe, daß Dr. Krüger auch zu andern Frauen in Beziehung stand. Ja, das habe sie gewußt; es seien flüchtige Beziehungen gewesen, die sie ihm nicht weiter verübelt habe. Diese Bekundungmachte keinen günstigen Eindruck, der Staatsanwalt konstatierte mehrmals, daß das merkwürdig sei. Aber für ausgeschlossen halte sie es, fuhr Johanna fort, daß Martin Krüger geradewegs aus dem Schlafzimmer einer anderen Frau zu ihr gekommen sei. Hm, machte der Staatsanwalt. Auch andere machten hm und na. Es sei ausgeschlossen, erklärte Johanna stark und erregt. Der Vorsitzende ersuchte sie, sich zu mäßigen. Der Bildberichterstatter der »Berliner Illustrierten Zeitung« machte eine wirksame Zeichnung dieses Moments, wie sie den breiten, gutgeformten Kopf entflammt gegen den klobigen des Staatsanwalts herumreißt; immer wenn sie einen anschaute, ging der ganze Kopf mit. Wovon sie lebe? fragte der Staatsanwalt. Sie habe etwas Vermögen, auch erziele sie Einnahmen aus ihren graphologischen Analysen. Sie verstehe übrigens nicht, was das zur Sache tue. Sie wurde ein drittes Mal von Dr. Hartl mild, doch mit Nachdruck in ihre Schranken zurückverwiesen.
Ob sie Geld von Dr. Krüger erhalten habe, fragte mit aufreizender Langsamkeit der Staatsanwalt weiter. Hier wurde Dr. Krüger, der den letzten Fragen mit finsterem, zugesperrtem Gesicht gefolgt war, rebellisch. Begierig stürzten sich die Zeichner auf den Moment; allein diesmal gelang es eigentlich nur dem Herrn von der Leipziger »Illustrierten Zeitung«, die starke Pose festzuhalten, wie der Mann Krüger, voll Wut um sich schlagend, das gewalttätige Kinn vorstieß gegen den Staatsanwalt, ihn anblitzend mit den gewölbten, grauen Augen unter den dicken Brauen. Der Staatsanwalt hielt dem Rasenden mit ironischer Geduld stand; er verlangte nicht einmal Schutz vom Vorsitzenden, bis der schließlich, als Dr. Krüger ohnehin ermattet, ihn mild verwies. Ob also, fragte der Staatsanwalt weiter, unbewegt, als wäre von seiten des Mannes Krüger nichts erfolgt, ob also Fräulein Krain von dem Beklagten nicht Geschenke an Geld oder Geldeswert erhalten habe. Ja, antwortete die Zeugin, Blumen, verschiedene Male, einmal einen Korb mit Eßdingen, einmal ein Paar Handschuhe, auch Bücher. Der Hoflieferant Dirmoser beschauteinteressiert die feste Kinderhand Johannas; bei der Vereidigung hatte er nicht ohne Mißbilligung bemerkt, daß sie keinen Handschuh hatte abstreifen müssen, da sie ohne Handschuhe gekommen war; jetzt verlor seine Denkart an Schärfe sowohl gegen Krüger wie gegen Johanna Krain. Was den Geldeswert anlange, erklärte behaglich der Mann Krüger, so habe, wenn er nicht irre, der Eßkorb achtzehn Mark fünfzig gekostet; es könnten aber auch zweiundzwanzig gewesen sein. Infolge der steigenden Geldentwertung wisse er das nicht mehr genau. Der Vorsitzende, selber mit einem kleinen, gezwungenen Lächeln, tadelte die unangebrachte Heiterkeit des Publikums. Ob nicht einmal ein Verfahren wegen Gaukelei gegen Johanna Krain geschwebt habe? Nein, es hatte niemals ein solches Verfahren geschwebt. Der Verteidiger bot Sachverständigengutachten an, daß die Analysen der Zeugin wissenschaftlichen Wert hätten. Als unerheblich wurden diese Gutachten abgelehnt. Im stillen ärgerte sich Dr. Hartl über die ungeschlachte Taktik des Staatsanwalts, dem offenbar die Überrumpelung alle Logik verschlug. Sichtlich hatte die Zeugin die Sympathien selbst derjenigen, die sie zu Anfang durch ihre kühne Art verstimmt hatte, zurückgewonnen und war jetzt allgemein beliebt. Dazu kam, daß sie mit steigender Erregung immer unverkennbarer bayrische Mundart sprach; ihre Worte, ihr ganzes Gehabe war so, daß niemand daran denken konnte, sie etwa als Zugereiste, als Schlawinerin, zu verdächtigen.
Ob der Angeklagte ihr über seine Beziehungen zu andern Frauen Einzelheiten mitgeteilt habe? fragte der Staatsanwalt, verstockt auf dem falschen Weg beharrend. Nein, weder habe sie ihn befragt, noch habe er
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