Erfolg
war der Staatsanwalt. Die klare, eindeutig zornige Frau sah nicht so aus, als ob sie im bayrisch offiziellen Sinn beeindruckt werden, auch nicht so, als ob sie durch kluge Fragen beirrt, zu seiner Auffassung der Schuldfrage hingelenkt werden könnte. Offenbar einfach dadurch, daß sie eine gut aussehende Frau war, hatte sie, schon bevor sie den Mund auftat, die allgemeinen Sympathien für sich. Der Verteidiger Dr. Geyer, das mußte man ihm lassen, hatte zudem den richtigen psychologischen Moment gewählt.
Der Vorsitzende, der Landesgerichtsdirektor Dr. Hartl, zeigte Unruhe, zum erstenmal während dieses Prozesses. Er schneuzte sich mehrmals, was den Geschworenen Lechner bewog, sein gewürfeltes Taschentuch auch seinerseits noch öfter zu ziehen. Er nahm wohl auch das Barett ab und wischte sich den Schweiß von der Glatze, was er trotz der Hitze noch nie getan hatte. Das unerwartete Auftreten dieser Zeugin machte den bisher so glatten Prozeß stachelig, öffnete dem ehrgeizigen Richter eine Gelegenheit, sich in harter Situation zu bewähren: die Verteidigung des Angeklagtendurfte nicht eingeschränkt, doch seine Verurteilung nicht gefährdet werden.
Die Zeugin Krain bekundete dies: der Angeklagte Dr. Krüger sei ihr Freund. Was das heiße? Diesmal beantragte die Verteidigung Ausschließung der Öffentlichkeit. Aber da der Vorsitzende eine Chance sah, durch die Breite der Hörerschaft die unbequeme Zeugin einzuschüchtern, wurde der Antrag abgelehnt. Johanna Krain mußte öffentlich aussagen. Ob sie bekunden wolle, daß sie intimen Verkehr mit dem Angeklagten gehabt habe? Ja. Was sie also von den Vorgängen jener Nacht wisse, in der Dr. Krüger dem Fest in der Widenmaierstraße beigewohnt habe? In jener Nacht sei Dr. Krüger zu ihr gekommen. Die Köpfe der Geschworenen stießen mit einem Ruck, wie gezogen, näher gegen die Zeugin; selbst in das schwere, dumpfe Gesicht des Briefträgers Cortesi kam Spannung, des Gymnasiallehrers Feichtinger sanfter Mund, umgeben von dem flaumigen, schwarzen Vollbart, rundete sich in einem dem Anklagevertreter unwillkommenen Staunen. Beunruhigt durch die offensichtliche Sensation, die die Bekundung der Zeugin Krain machte, fragte der Staatsanwalt weiter, ob sie sich der genauen Zeit erinnern könne, wann Dr. Krüger in jener Nacht zu ihr gekommen sei. Kurze, hörbare, gespannte Atemstöße ringsum. Ja, erwiderte sehr deutlich Johanna Krain, das könne sie. Es sei zwei Uhr gewesen.
Es wurde in dem heißen, menschenvollen Saal ganz still. Wieso sie, fragte mit etwas heiserer Stimme der Staatsanwalt, die Stunde so genau wisse. Mit großer Sicherheit, nicht zu dürr und nicht zu umständlich, erzählte jetzt die Zeugin Krain die Geschichte von dem geplanten Ausflug ins Gebirg. Wie Martin nicht habe mithalten wollen, wie sie sich gestritten hätten, wie er dann doch, bereuend offenbar, von dem Fest weg mitten in der Nacht zu ihr gekommen sei und sie geweckt habe. Natürlich sei da ihr erster Blick zur Uhr gewesen; sie hätten dann natürlich auch die Frage des Ausflugs noch lange besprochen; denn wenn man um zwei Uhr gewecktwerde, sei es nicht angenehm, um halb fünf endgültig aufstehen zu müssen. Der Mann Krüger hörte aufmerksam zu, fast glaubte er selbst, was sie sagte. Sie bedaure jetzt sehr, schloß die Zeugin Krain ihre Erklärung, daß sie nicht mitgegangen sei zu jenem Fest; denn dann wäre der ganze Prozeß nicht zustande gekommen. Diese Äußerung wurde von Dr. Hartl als nicht zur Sache gehörig ernst zurückgewiesen.
Während man auf Verlangen des Staatsanwalts den Chauffeur Ratzenberger suchte, um ihn mit Johanna Krain zu konfrontieren, wurde ihre Vernehmung scharf und lange fortgesetzt. Zunächst wurde sie gefragt, ob der Angeklagte auch in jener Nacht vom 23. zum 24. Februar mit ihr intimen Verkehr gepflegt habe. Nochmals beantragte Dr. Geyer Ausschluß der Öffentlichkeit, nochmals wurde sein Antrag abgelehnt. Verbissen, deutlich, blaß, in unverhohlenem Dialekt erklärte Johanna, ja, auch in dieser Nacht sei Martin mit ihr zusammengelegen. Jedes Wort und jede kleinste Bewegung war kräftig, unzweideutig, sie war erfüllt von einer großen Wut gegen ihre Landsleute. Der Gymnasiallehrer Feichtinger hatte geradezu ein bißchen Angst vor ihren wilden, resoluten, grauen Augen. Ob sie denn allein gewohnt habe, wurde sie weiter gefragt, und wie der Angeklagte ungesehen habe zu ihr gelangen können. Sie wohne zusammen mit ihrer Tante Franziska Ametsrieder, einer älteren Dame,
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