Erfolg
überlassen?
Herr Pfaundler, als er sah, daß Herrn Hessreiter das Thema Reindl nicht angenehm war, fragte, immer noch bekümmert, ob Katharina von diesem Forster 1911 noch genügend Vorrat habe, er könne ihr allenfalls noch fünfzig Flaschen ablassen. Dann erzählte er von seinen Plänen für das neue große Etablissement in Garmisch, »Die Puderdose«. Schon im vergangenen Jahr hatte er angefangen, diesen Winterkurort großzügig zu starten; heuer werde Garmisch-Partenkirchen wirklich der mondänste Ort des deutschen Winters sein. Auch im Ausland, vor allem in Amerika, habe er gut vorgearbeitet.
Angeregt fragte Katharina nach Einzelheiten des Vergnügungsprogramms, das er für sein Etablissement dort plane. Ja, Herr Pfaundler, ein starker Arbeiter, hatte schon eine ziemlich genaue Liste seiner Engagements ausgearbeitet. Am meisten versprach er sich von einer bisher in Deutschland unbekannten russischen Tänzerin, der Insarowa, um die er viel Geheimnis und Wesens machte. Frau von Radolny verbreitete sich sachkundig über die Qualitäten einzelner Künstler, die Pfaundler genannt hatte. Sie trällerte die Glanznummer eines Kabarettsterns vor sich hin. Herr Pfaundler, mit dem Interesse des Fachmanns, machte Ausstellungen, erläuterte, was am Vortrag dieser Künstlerin wirkungslos sei, worin der Effekt bestehe. Bat Katharina, sie möge die Nummer wiederholen. Die schwere, schöne Frau tat es ohne Gezier. Mit ihrer sonoren Stimme sang sie das zuckerig zotige Couplet, zwang ihren massigen Gliedern die üblichen neckischen Gesten und tänzerischen Zuckungen ab. In Herrn Pfaundlers Augen entzündete sich Appetit. Er war sehr bei der Sache; belebt äußerte er, gerade durch ihre Fülle gewinne der Song besonderen Reiz. Man ereiferte sich über ein paar Nuancen. Verglich mit einer Grammophonplatte. Herr Hessreiter hörte schweigend zu. Er beschaute die beiden riesigen Vasen auf der Brüstung der Terrasse gegen den See hin. Hier in Luitpoldsbrunn auf dem Gut seiner Freundin waren überall im Haus und im Garten Erzeugnisse aus seiner keramischen Fabrik verstreut, teils mächtige Gebilde, teils Nippessachen. Es war merkwürdig, daßFrau von Radolny während ihres langen Zusammenlebens ihn nie gefragt hatte, warum in seinem eigenen Haus in der Seestraße nicht ein einziges Produkt seiner Fabrik stand.
Frau von Radolny fühlte sich offensichtlich wohl bei ihrer Kabarettdarbietung, trotzdem sich, stattlich wie sie war, Gestus und Vortrag etwas merkwürdig ausnahmen. Als ein Dienstmädchen erschien, um die Tafel abzuräumen, unterbrach sie sich keineswegs, nahm es vielmehr wohlgefällig auf, daß das Mädchen seine Beschäftigung hinauszögerte, um zuzuhören.
Herr Hessreiter, dem sonst diese Abendessen auf der Terrasse am See lieb waren, fühlte sich heute nicht behaglich. Der See lag friedlich im halben Mond, angenehmer Wind ging durch die Bäume, starken Geruch von Wiesen und Wäldern mit sich bringend. Die gebratenen Renken waren zart gewesen, der Wein blumig und gut gekühlt, Katharina saß groß, gut angezogen, verlockend an seiner Seite, Herr Pfaundler war ein erfahrener Mann, der die Stadt München mit den Weltläuften in kluge Beziehung zu setzen wußte. An anderen Abenden fühlte sich der gesellige, auf seßhafte Art lebensfreudige Herr in solcher Lage ohne Wunsch zufrieden, machte breite, saftige Witze nicht ohne Hintergrund, eine geruhsame Fröhlichkeit ging von seiner behaglichen, verzwickten Eleganz aus. Heute, nachdem er zu Anfang einiges gesprochen hatte, fiel er unvermittelt in Schweigsamkeit. Eigentlich war er froh, als endlich Herr Pfaundler sich entfernte.
Während das Geräusch seines Wagens eine Weile in der stillen Nacht hörbar blieb, saßen Herr Hessreiter und Katharina noch zusammen. Herr Hessreiter, umständlich rauchend, meinte, so einer wie Pfaundler habe es gut, stecke in seiner Arbeit, um ihn und durch ihn gehe etwas vor. Was tue er, Hessreiter? Alle vierzehn Tage einmal gehe er in seine Fabrik, die ohne ihn genauso laufe, und sehe, daß man dort den gleichen Kitsch mache wie seit Jahrzehnten. Auch seine Sammlung Münchner Altertümer könne ein anderer genausogut weiterführen. Frau von Radolny schaute schweigendauf den aufgerührten Mann, seine nachdrücklich rudernden Hände, seinen gepflegten, traditionellen Schläfenbart. Dann zog sie das Grammophon auf und spielte zwei seiner Lieblingsplatten. Auch fragte sie ihn, ob er noch eine Flasche Wein wolle. Er lehnte dankend ab, seine Zigarre war
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