Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
der Hand habe für den Fall, daß sie sich mausig mache. Tue sie das, könnte die Behörde statt des harmlosen Gaukeleiverfahrens einen Meineidsprozeß gegen sie auffahren lassen. Im Machtbereich des Dr. Klenk, eines skrupellosen Gewaltmenschen– sein dünnhäutiges Gesicht verzog sich schmerzhaft – , sei kein Ding unmöglich.
    »Bleiben also nur die gesellschaftlichen Beziehungen«, resümierte Johanna nachdenklich. Sie wußte die Liste der fünf Namen, die ihr Geyer damals auf seinem Krankenbett gemacht hatte, längst auswendig. Aber die Männer dieser Liste, ihre Gesichter, die sie von Bildern her kannte, ihr Leben und ihre Umstände waren ihr unzugänglich. Sie wußte nicht, wie sie diese Sache anpacken solle. Immer wieder nur kam ihr als einziges in den Sinn das fleischige Gesicht des Geschworenen Hessreiter.
    Dr. Geyer schwieg. Wieder spürte er, doch fast mit Widerwillen heute, die Ähnlichkeit des großen Mädchens mit jener Toten. »Ja«, sagte er schließlich, »gesellschaftliche Beziehungen. Ein etwas vager Rat. Ich weiß keinen anderen.«
    Johanna ärgerte sich über Dr. Geyer. Man hatte ihr gesagt, einen besseren Anwalt ihrer Sache gebe es nicht. Allein sie fand ihn schlaff, lätschig. Sie erhob sich. Breit, fest stand sie da, zornig in Dr. Geyers leicht verzerrtes Gesicht hinein sprach sie von den Schikanen, die man ihr mache, Sendungen an Krüger kämen zurück oder würden ihm erst, wenn sie verdorben seien, zugestellt. Nur nach endlosen Schwierigkeiten bekomme sie Erlaubnis, ihn zu sehen. Immerzu werde sie gefragt, wodurch sie legitimiert sei, für ihn zu wirken.
    »Ja, wodurch sind Sie legitimiert?« fragte mit einem fatalen Lächeln der Anwalt. »Vielleicht durch Menschenliebe? Durch Ihre Freundschaft mit Krüger? Solche Legitimationen genügen nicht bei einer bayrischen Behörde. Verbindungen zwischen Mann und Frau, sollen sie behördlich anerkannt werden, bedürfen der standesamtlichen Sanktionierung.«
    Johanna klemmte die Oberlippe ein. Der dünne Spott des Anwalts ärgerte sie. Seine Haltung, sein sanfter, rötlichblonder Bart, sein Blinzeln, der ganze Mensch ärgerte sie.
    »Ich werde ihn heiraten«, erklärte sie.
    Der Anwalt, nach einem Schweigen, meinte, es seien da gewisse Schwierigkeiten zu überwinden. Genau unterrichtetüber die Formalitäten, und was man ihr in den Weg legen könne, sei er nicht. Johanna bat ihn, ungesäumt mit größter Energie alles Nötige zu tun.
    Allein, lehnte Dr. Geyer den Kopf mit den geschlossenen, roten Lidern zurück; sein unangenehmes Lächeln vertiefte sich, legte die starken, gelben Zähne bloß. Er hat sich zwar bewiesen, daß die Angelegenheit mit Erich aus und erledigt ist. Aber sie war eben nicht erledigt, und vielleicht wäre es doch besser gewesen, er hätte dem Untersuchungsbeamten von jenem fatalen Gesicht erzählt, das für den Bruchteil einer Sekunde vor ihm aufgetaucht war, damals, als sie auf ihn einschlugen und er niedersackte.
    Der Anwalt Dr. Geyer war anders geworden. Er bemühte sich weniger, seine Nerven in Disziplin zu halten, war nicht mehr sachlich überlegen. Ließ seiner reizbaren, ironischen Beredsamkeit den Lauf. Führte finstere, beunruhigende Reden, wobei seine Hände flatterten und seine Augen wild zwinkerten. Die Sorge um Essen, Wohnung, Kleidung, selbst die Sorge um seine Finanzen überließ er mehr und mehr der Haushälterin Agnes. Zuweilen verfiel er in große Mattigkeit, saß da mit erloschener Miene, schlaffen Gliedern. Doch pflegten solche Anfälle rasch vorüberzugehen. Dann wieder sprach er davon, seine Praxis ganz aufzugeben, vielleicht auch seine parlamentarische Tätigkeit, sich auf seine Schriftstellerei zu beschränken.
    Waren es die Folgen des Überfalls, die den Dr. Geyer so verwandelten? Nein, er hatte immer gewußt, daß seine Tätigkeit nicht ungefährlich war, hatte mit Schlimmerem gerechnet. Was ihn verändert hatte, mußte tiefer liegen, mußte ein anderes sein, eine neue Erkenntnis, ein plötzlicher Blick.
    Es war der Blick in die vertraulichen Augen und in den kräftigen, kauenden Mund des Dr. Klenk, es war der Blick in die Seele der nackten Gewalt, der den Dr. Geyer so erschüttert hatte. Nach jener Unterredung war er tagelang in sich eingesperrt geblieben, die sonst wachen Augen abgekehrt, stumpf. Er revidierte, zog Bilanz, sah, daß er auf morschen Grundgebaut hatte. Wohl hatte er um diesen Sachverhalt immer gewußt, hatte Reden darüber gehalten, kluge, scharfe Gedanken dazu geäußert. Aber

Weitere Kostenlose Bücher