Erfolgreiches Teamcoaching

Abfahrt in das Stadion saß ich mit dem Bundestrainer und seinem Assistenten auf dem Innenhof des Hotels. Wir besprachen ein paar letzte Details. Aus allen Fenstern des ersten Stocks schallte laute Musik auf den Innenhof, aus jedem Zimmer eine andere. Ein sicheres Zeichen, dass bei den Spielern die nötige Anspannung da war. Wenn man auf den Flur ging, herrschte emsiges Treiben. Spieler rannten von einem Zimmer in das andere, um sich noch etwas zu holen, um nicht alleine zu sein oder um irgendwie die innere Anspannung abzubauen. Andere Türen waren geschlossen und die Spieler darin zurückgezogen angesichts der nahen Aufgabe.
    Jeder reagiert auf eine solche Situation anders. Der eine bringt die Anspannung nach außen, der andere zieht sich in sich zurück. Der Dritte rennt alle 10 Minuten auf die Toilette. Ein Vierter braucht Aufmunterung. Und wieder ein anderer wirkt, als wenn gar nichts Besonderes wäre. Das ist normal und es ist für Sie als Trainer wichtig, dass Sie jedem Athleten seinen Stil lassen. Zu viel Einheitsdruck ist in dieser Situation nicht angebracht.
    Worauf Sie achten sollten, ist, wie Sie die Spannung erleben, sowohl die Anspannung bei einzelnen Spielern als auch die Anspannung bei der gesamten Mannschaft. Inzwischen habe ich oft genug betont, dass Sie dazu zuerst bei sich selbst schauen sollten. Wie ist meine Anspannung, ist sie nicht zu niedrig und nicht zu hoch, gerade so, wie ich es für eine optimale Leistung brauche? Erst dann fragen Sie sich: Macht die Mannschaft auf Sie einen guten Eindruck? Halten Sie Ihre Nase in die Luft und „riechen“ Sie die Atmosphäre. Nehmen die Spieler den Gegner ernst genug? Sind sie sich ihrer Sache zu sicher? Das ist nicht gut. Eine gewisse Unsicherheit gehört dazu. Oder ist die Mannschaft im Gegensatz zu ängstlich? Zu angespannt?
    Fallen Ihnen Athleten auf, die sehr nervös und verkrampft wirken? Vielleicht können Sie ihnen noch ein paar beruhigende Worte mit auf den Weg geben. Besser noch, Sie beauftragen einen erfahrenen Mitspieler damit. Sind einzelne Spieler betont locker, so weist das darauf hin, dass sie ihre Angst überspielen wollen. Wenn Ihnen das auffällt, sprechen Sie die Spieler noch einmal unter vier Augen an. Lassen Sie diese ihre Ängste aussprechen, es wird sie entlasten. Das Einzelgespräch ist in einer solchen Phase überhaupt das beste Mittel, Einfluss zu nehmen. Damit meine ich nicht lange, tief greifende Gespräche. Dafür hat sowieso kein Spieler mehr ein Ohr. Es genügt, sich zwei Minuten Zeit zu nehmen und dem Spieler 1-2 persönliche Leitsätze mitzugeben.
17.3 Ein Finale ist etwas Besonderes
    Eine Frage, die ich immer wieder gestellt bekomme, ist die, ob man vor entscheidenden Spielen besser alles genauso macht wie sonst oder ob man lieber besondere Maßnahmen ergreifen sollte. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Entscheidende Spiele stellen etwas Besonderes dar, da führt kein Weg dran vorbei. An diesem Tag kommt es darauf an, jetzt spitzt sich alles zu und das weiß jeder Beteiligte. Es macht deshalb für mich keinen Sinn, so zu tun, als ob es ein Spiel wie jedes andere wäre. Das stimmt einfach nicht und die Spieler werden es Ihnen nicht glauben. Im Gegenteil, die Spieler würden sich in diesem Fall mit ihren Empfindungen allein gelassen fühlen.
    Tragen Sie also der Besonderheit des Tages Rechnung, machen Sie etwas Besonderes. Halten Sie zum Beispiel eine ungewöhnliche Abschlussbesprechung (s. u.) oder ändern Sie den Ablauf der Vorbereitung in einigen Punkten. Aber verändern Sie wiederum nicht zu viel. Der übliche Ablauf hilft den Spielern. Routine bedeutet Sicherheit. Wenn Sie Spitzensportler beobachten, etwa Skifahrer oder Wasserspringer, dann halten diese vor dem Start bzw. Absprung immer eine feste Routine ein. Dieser eingeübte Ablauf hilft, sich zu beruhigen und sicher zu fühlen. Das Geheimnis der angemessenen Vorbereitung auf ein Entscheidungsspiel liegt also nach meiner Meinung in der richtigen Mischung zwischen Neuem und Gewohntem. Ein kleinerer Teil Besonderheit, ein größerer Teil Vertrautheit, das dürfte in den meisten Fällen ein gutes Rezept sein. Viel Glück beim Ausprobieren!
17.4 Die Abschlussbesprechung
    Die Besprechung vor dem entscheidenden Spiel ist ein extremer Moment. Es ist Ihre letzte Möglichkeit, noch einmal Einfluss auf das Team zu nehmen. Später, unter der Anspannung des Spiels, werden Ihre Athleten nicht mehr viel von dem mitbekommen, was Sie ihnen sagen wollen. Die Abschlussbesprechung