Erfrorene Rosen
tauchen die Mutter und das Kind im Bild auf, und dann sieht Olli schließlich sich selbst beim Betreten des Kaufhauses, seinen ungeschickten Versuch, der Frau und dem Kind auszuweichen.
Die Episode in der Schuhabteilung lässt ihm keine Ruhe. Ein Mann bringt einer besorgten Mutter ihr Kind zurück und verschwindet, bevor sie sich bedanken kann, gerade noch rechtzeitig vor dem Eintreffen der Polizei.
Plötzlich fällt Olli etwas ein. Er denkt eine Weile nach, kramt in seinen Erinnerungen, dann steht er auf und geht leicht zerstreut zu Ilomäki.
»Wo sind die Fotos?«
»Was für Fotos?«, fragt Ilomäki zurück, als hätte er keine Ahnung, wovon Olli spricht.
»Na, die aus dem Kaufhaus.«
Ilomäki dreht sich um und sieht Olli an, der stirnrunzelnd zurückstarrt. Zuerst glaubt Ilomäki, Olli sei müde und frustriert, was völlig verständlich, ja sogar zu erwarten wäre. Doch dann sieht er genauer hin und merkt zu seiner Enttäuschung, dass Olli vor Eifer förmlich glüht.
Olli muss sich räuspern, um ihn aus seinen Gedanken zu reißen.
»Die müssen hier irgendwo sein … Ich hab sie doch da hingelegt«, murmelt Ilomäki, während er in seinem Papierstapel wühlt.
Kaum hat er die Bilder gefunden, reißt Olli sie ihm aus der Hand und blättert sie rasch durch, bis er unter den letzten die Aufnahme findet, die er gesucht hat. Er starrt sie gebannt an und geht dann wortlos. Ilomäki sieht ihm unzufrieden nach, denn Olli hat seine Neugier geweckt, aber nicht gestillt.
Olli ist hinter dem Wandschirm verschwunden und taucht nicht wieder auf. Ilomäki wartet eine Weile, schnaubt dann verächtlich und schüttelt den Kopf. Sicher geht es hier um einen typischen Anfängerfehler, um eine Fehleinschätzung der Wichtigkeit von Fakten. Um eine völlig belanglose Beobachtung, die einem erfahrenen Kriminalisten wie ihm selbst höchstens einen juckenden Hautausschlag verschaffen würde. Und unnötige Arbeit bei der Überprüfung nebensächlicher Beobachtungen und Erkenntnisse.
Das Kissen ist nicht in Ordnung. Je mehr man es aufschüttelt, desto mehr störende Klumpen bilden sich. Schließlich gibt Olli auf. Die Klumpen, die ihm wirklich den Schlaf rauben, sind ohnehin nicht im Kissen, sondern in seinem Kopf, in seinen Gedanken.
Nun liegt Olli in seiner schäbigen Bude auf dem Bett und starrt unverwandt an die Decke, als stünden dort die Antworten auf seine Fragen. In der Hand hält er Papierbögen, Prints von einzelnen Aufnahmen auf den Videos, Bilder von dem Mann in der Schuhabteilung.
So hartnäckig er auch auf die undeutliche Pixelmasse starrt, sie gibt ihm keine Antworten. Im Gegenteil, sie wirft immer neue Fragen auf. Plötzlich fährt er zusammen, denn er hat gerade erkannt, was passiert ist: Ganz offensichtlich ist er auf die harte Nuss gestoßen.
Sein Vater hatte ihm gesagt, der Kaufhausfall sei eine harte Nuss. Olli hatte die Bemerkung, die er nicht verstand, einfach ignoriert. Was hatte sein Vater wohl gemeint? Oder genauer: Hatte er mit der harten Nuss etwas Ähnliches gemeint wie das, was Olli jetzt im Kopf herumspukt? Verfügt sein Vater womöglich über Informationen, die mit dem Fall und vor allem mit dem Mann auf dem Bild zu tun haben?
Olli springt auf. Wahrscheinlich gibt es nur eine Alternative. Eine, die ihm nicht gefällt. Aber er muss sich Gewissheit über seinen Fund verschaffen. Sich vergewissern, dass die harte Nuss wirklich existiert. Deshalb ist er im Begriff, etwas zu tun, was er sich nie hätte vorstellen können. Und das Einzige, was ihn dazu treibt, ist eine vage Ahnung.
Er muss eine Weile warten, erst dann wird geöffnet. Sein Vater ist überrascht, was selten vorkommt, doch die Überraschung legt sich bald. Offenbar hat er damit gerechnet, dass Olli früher oder später zu ihm kommt.
»Tritt näher.«
Olli folgt der Einladung zögernd, als wolle er klarstellen, wie unangenehm ihm dieser Besuch ist. Vater und Sohn schweigen. Das Haus erweist sich als erstaunlich stilvoll. Der Alte scheint recht gut zu verdienen. Und für einen einzelnen Menschen ist hier wirklich reichlich Platz. In dem Punkt hat der Vater nicht übertrieben.
Das ganze Haus ist praktisch ein einziger offener Raum. Die Zimmer sind nur durch Ebenen in verschiedener Höhe voneinander abgetrennt. Ganz unten liegt das Wohnzimmer, das nicht von einem Fernseher beherrscht wird, sondern von einem Kamin, der auf den ersten Blick unverhältnismäßig groß wirkt. Gleich links ist eine ultramoderne Küche zu sehen, ganz
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