Erfrorene Rosen
hinten ein zarthelles Schlafzimmer. Die Einrichtung ist geschmackvoll, wirkt aber irgendwie unpersönlich, wie aufgeklebt. Die Art von Innendekoration, für die man nur viel Geld aufwendet und sonst nichts. In Ollis Augen wirkt sie abstoßend. Schon allein wegen des Hausherrn.
Auf dem Kamin im Wohnzimmer steht ein großes gerahmtes Foto, das man fast schon von der Haustür aus sieht. Es zeigt Olli als kleinen Jungen, er sitzt auf einem Spielzeuglaster und grinst verschmitzt, genau wie Eetu, das flachsblonde Haar über der Stirn kurz geschnitten. Olli wundert sich über den Gesichtsausdruck, den er auf dem Foto hat. Er ist zu fröhlich, zu glücklich. So kann er nicht dreingeschaut haben. Das Foto ärgert ihn, beleidigt ihn geradezu.
»Du bist also gekommen«, stellt der Vater mit leiser Schadenfreude fest.
Olli hat keine Zeit für leeres Geschwätz. Er sieht seinen Vater wortlos an und reicht ihm einen an den Ecken eingeknickten braunen Umschlag. Je schneller er zur Sache und damit aus dem Haus herauskommt, desto besser für seine psychische Verfassung. Der Vater nimmt das Bildmaterial aus dem Umschlag, weiß aber nichts damit anzufangen.
»Was zum Teufel soll das sein?«, schnaubt er.
»Das weiß ich nicht. Ich dachte, du könntest es mir sagen.«
Der Vater wirkt ein wenig enttäuscht, als hätte er mehr erwartet. Olli sieht ein, dass eine genauere Erklärung angebracht ist.
»Die ersten Bilder sind von den Überwachungskameras im Kaufhaus«, beginnt er und zeigt die Aufnahmen der Reihe nach vor. »Kurz bevor wir kommen, findet dieser Mann einen Jungen, der sich verlaufen hat, bringt ihn zu seiner Mutter und setzt sich ab, als die Polizei anrückt.«
Er verstummt und lässt seinem Vater Zeit nachzudenken, zu erkennen, worum es ihm geht. Dann zieht er ein weiteres Bild hervor, eine der Aufnahmen, die der Polizeifotograf vor dem Kaufhaus gemacht hat. Auch Olli und Tossavainen sind darauf zu sehen. Der Blick des Vaters fällt natürlich zuerst auf Olli, doch dann sucht er nach anderen Anhaltspunkten. Olli sagt nichts, hilft nicht, gibt keinen Hinweis, wartet einfach ab, ob sein Vater dasselbe entdeckt wie er. Plötzlich hält der schweifende Blick inne. Der Vater kneift die Augen zusammen. Hält sich das Foto näher vors Gesicht. Sieht Olli an, dann wieder das Foto. Der Mann aus der Schuhabteilung steht in der Menschenmenge, gleich hinter Olli. Das Gesicht ist durch die Schirmmütze seines Nebenmannes verdeckt, doch die Gestalt ist deutlich zu erkennen. Klarer noch als auf dem Material der Überwachungskameras.
»Vielleicht ein Ladendieb«, vermutet der Vater.
»Sieht der etwa aus wie ein gewöhnlicher Ladendieb?«
»Er sieht eigentlich nach gar nichts aus. Aber das Bild ist ja ziemlich unscharf.«
»Das ist ein normal gekleideter, normaler Mann in mittleren Jahren. Kein Penner, kein Asozialer, kein Fixer und kein Kleptomane. Ansonsten kann er alles Mögliche sein, aber ein Ladendieb ist das nicht. Da bin ich mir sicher.«
Es wird still. Der Vater studiert die Bilder noch einmal. Olli wartet ungeduldig. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Vater ihm widersprechen würde. Sein Blick fällt erneut auf das Kinderfoto. Es erscheint ihm noch irritierender als zuvor, wie eine Aufforderung abzuhauen. Den Rahmen in Stücke zu schlagen und für immer zu verschwinden. Noch einige Minuten, dann geht er wirklich. Soll der Alte sein leeres Geschwafel doch für sich behalten.
»Ein bisschen seltsam ist es schon, das stimmt. Verschwindet sofort, wenn ihr kommt, bleibt dann aber in der Menge stehen, um zuzugucken«, räumt der Vater plötzlich ein und setzt sich auf das Sofa.
»Wie ein Brandstifter«, nickt Olli.
»Aber das muss trotzdem nichts bedeuten. Kann sein, dass er einfach nur schüchtern ist oder allergisch gegen Polizisten.«
»Als du bei mir warst, hast du gesagt, wir hätten eine harte Nuss zu knacken«, erinnert ihn Olli. »Was hast du damit gemeint?«
Plötzlich wirkt der Vater verändert. Er scheint mit sich zu kämpfen. Einerseits will er sich mitteilen, andererseits geht es hier ganz offensichtlich um ein Terrain, das bisher keiner außer ihm selbst betreten hat. Dies ist das Privatgebiet des Vaters, sein Garten, den er eigenhändig angelegt hat und dessen Früchte er lieber für sich behalten würde. Olli versteht. Er übt keinen Druck aus, sondern wartet geduldig, denn er weiß, dass der Deich jeden Moment brechen muss.
»Das geht jetzt schon lange«, beginnt der Vater, ohne von dem Foto
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