Erfrorene Rosen
hat es jahrelang am Hals seines Vaters gesehen, es kann kein Zweifel bestehen. Olli betrachtet seine Hände, die geschwärzten Fingerspitzen. Plötzlich kommt ihm zu Bewusstsein, was der Schmutz an seinen Fingern ist. Er nimmt das erstbeste Tuch vom Tisch und versucht zitternd, seine Finger sauberzureiben. Der Schmutz geht nicht ab. Er reibt fester und fester, entfernt sich dabei immer weiter von der Leiche. Hahn auf, reichlich Seife in die Hand. Die Finger werden nicht sauber, und der Geruch verschwindet nicht. Er hat sich in etwas Entsetzliches, Erdrückendes verwandelt, das Olli für immer anhaften wird.
Dreizehntes Kapitel
Das goldene Kreuz liegt auf einem weißen Taschentuch auf dem Schreibtisch. Es ist von Schmutz und Ruß gesäubert worden, nur in den Gravierungen sitzen noch Reste, die nicht zu entfernen sind. Olli starrt das Kreuz unverwandt an. Er stützt den Kopf auf die Hände und versucht, all das zu verstehen und zu analysieren, was mit diesem unscheinbaren Kreuz zusammenhängt.
Vieles hat er bereits begriffen. Er weiß jetzt, warum unter den Negativen, die im Versteck des Täters gefunden wurden, eine Aufnahme des Hauses war und warum sie dieses Foto nicht zu Gesicht bekommen haben. Die Aufnahme war für sie gemacht worden. Wer das Bild fand, würde irgendwann auch das Haus und die Brandbombe finden. Und damit letzten Endes sein Schicksal. Der Täter wusste, dass der Finder jemand sein würde, der ihn verfolgt, der seine Taten aufklären und weitere verhindern will. In seinen Augen ist diese Person sein Feind, der das System verteidigt, gegen das er selbst kämpft. Ein legitimes Opfer also.
Verwundert stellt Olli fest, dass er mit seinen Spekulationen über die Vorgehensweise des Täters und über die Rolle des Schicksals recht hatte. Und es verwirrt ihn, wie schicksalhaft das Opfer letztlich erwählt wurde. Sein Vater hatte die Bilder gefunden. Hatte bemerkt, dass sich eins von allen anderen unterschied, hatte dessen Bedeutung erkannt und das Bild an sich genommen, bevor er Olli und Tossavainen auf seinen Fund aufmerksam machte. So gewann er einen Vorsprung in dem Wettrennen, das er selbst gestartet hatte. Indem er sich das Bild aneignete, machte er sich zum Opfer und half damit dem Täter, sein Ziel zu erreichen. Es war nicht nötig, ein Opfer zu suchen, denn das Opfer hat selbst nach seinem Schicksal gesucht.
Olli begreift auch, dass er und Tossavainen tot sein müssten, nicht der Vater. Sie beide hätten die Wohnung finden sollen, doch es ist nicht so gekommen, es war nicht ihr Schicksal. Man wird sehr nachdenklich, wenn man begreift, wie nahe der Sensenmann einem bei seiner täglichen Ernte gekommen ist. Olli und Tossavainen haben auf dem schmalen Arm des Todes gestanden, ohne die Gefahr zu ahnen.
Sie müssten Ollis Vater dankbar sein, dankbar für ihr Leben und dafür, dass sie weiterhin etwas tun können, was vielleicht das Schönste und Teuerste im Leben ist: nach Hause gehen und seine Kinder, seine Frau, seine Liebsten umarmen. Diesen Reichtum hat der Vater ihnen hinterlassen, wenn auch unwissentlich, doch das spielt kaum eine Rolle. Zum ersten Mal in seinem Leben kann Olli uneingeschränkt glücklich über seinen Vater sein. Ein unwirkliches Gefühl, das sogar Reue auslöst. Er bereut, dass er seinen Vater bei ihrer letzten Begegnung so über alle Maßen unfreundlich und gehässig behandelt hat. Er konnte damals nicht anders, denn er hat seinen Vater immer als seinen schlimmsten Feind betrachtet, ganz besonders im Hinblick auf seine eigene kleine Familie. Ist er vielleicht doch übervorsichtig gewesen?
Jetzt bereut er die zerrüttete Beziehung zu seinem Vater. In irgendeinem Winkel seiner löchrigen Seele glaubt er immer noch, dass sich alles hätte ändern können. Dass doch noch ein Neuanfang möglich gewesen wäre. Wenn er nur mehr Mut aufgebracht hätte.
Aber eins versteht er nicht: Weshalb auf der Rückseite des Kreuzes, das der Vater seit vielen Jahren am Hals getragen hat, der Name eines völlig Unbekannten eingraviert ist. Heikki Susiaho. Olli könnte schwören, dass er den Namen nie gehört hat. Aber warum hat der Vater dieses Kreuz getragen? Ist er doch nicht der Tote? Das wird die Gebisskarte und letztlich der DNA-Vergleich zwischen Olli und dem Leichnam zeigen, doch es dauert lange, bis endgültige Gewissheit besteht. Andererseits, weshalb sollte ein anderer das Kreuz umgehabt haben, das dem Vater gehört?
Olli beschließt, einiges zu überprüfen. Nachzusehen, was das
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