Erfrorene Rosen
prompt.
»Die ist wirklich ein Wunderding«, stellt Jaatinen geradezu schadenfroh fest. »Die Hose.«
»Wieso?«
»Wie ist es möglich, dass er sie anhatte?«
»Was ist denn daran so verwunderlich?«, fragt Tossavainen verblüfft.
»Ich finde es nicht unbedingt verwunderlich, dass Herr und Frau Weeman nach dreiundzwanzig Ehejahren immer noch Kondome verwenden, obwohl sie altersmäßig nicht mehr unbedingt zu verhüten brauchen. Auch dass die Frau nichts davon sagt, dass ihr Mann mitten im Akt gestorben ist, mag nicht weiter verwunderlich sein. Aber es erstaunt mich wirklich, dass er bei alldem die Hose angehabt hat.«
»Wieso?«
»So wurde der Weeman doch gefunden. In Hemd und Hose, voll bekleidet.«
»Moment mal« überlegt Tossavainen. »Wie kommt auf einmal der Akt ins Bild und der Tod während des Akts?«
»In Henry Weemans Schamhaaren wurden Zellen gefunden, die nicht von ihm stammen«, verrät Jaatinen. »An seinem Geschlechtsorgan waren Reste von einer Gleitcreme, die in der Regel in Kondomen verwendet wird. Entweder hat Weeman vor seinem Tod einen wahren Quickie hingelegt und es dann nicht mehr geschafft, sich zu waschen, oder …«
Es wird still im Zimmer. Eine ganze Weile passiert gar nichts. Dann streckt Tossavainen die Hand aus. Mit höhnischem Grinsen reicht Jaatinen ihm den Bericht.
»Hast du den Verdacht, dass Weeman umgebracht wurde?«, fragt Tossavainen.
Jaatinen platzt beinahe vor Vergnügen. Er kann sich von Herzen freuen, wenn jemand stolpert und mit dem Gesicht in einer Schlammpfütze landet.
»Ich behaupte lediglich, dass Weeman nicht in dem Zustand gestorben ist, in dem er gefunden wurde, und dass sein Tod durch Kammerflimmern verursacht wurde«, sagt er. »Herauszufinden, warum und wie es dazu kam, ist nicht meine Aufgabe.«
»Okay. Weeman hatte bei sich zu Hause Sex mit einer anderen Frau und ist mittendrin gestorben«, sinniert Tossavainen. »Was macht diese Frau? Sie erschrickt natürlich. Sie ist außer sich, aber ihr Verstand funktioniert noch. Sie überlegt, ob sie womöglich irgendwie unter Verdacht gerät. Immerhin ist der Mann in ihren Armen gestorben. Zumindest wird sie unangenehme Fragen beantworten müssen. Also kann sie den Mann nicht da liegen lassen. Sie zieht ihn an und schleppt ihn aufs Sofa, raus aus dem Bett, damit niemand ahnt, was passiert ist.«
»Warum zum Teufel sollte sie das tun?«, fragt Jaatinen skeptisch.
»Wer versteht die schon? Die Frauen. Vielleicht, weil die Affäre schon länger gedauert hat. Sie konnte nicht zulassen, dass Elli Henry so vorfindet. Frauen sind in der Hinsicht komisch, sie handeln so emotional. Versetzen sich in die Lage anderer, selbst wenn sie selbst in einer beschissenen Situation stecken.«
»So war es leider nicht«, ist eine erstickte Stimme von der Tür zu vernehmen.
Alle drei zucken zusammen. An der Tür steht Elli Weeman, die Hände um die Handtasche gekrampft, als wäre sie ihr letzter Schutz, ihr einziger Kontakt zum Leben, ohne den sie ins Leere stürzen würde.
Olli nimmt das Laken, das am Ende des Obduktionstisches liegt, und deckt den verkohlten Leichnam langsam und unauffällig zu. Da fällt ihm plötzlich etwas auf. Er zieht das Laken zurück, lässt es los und schaut. Dann beugt er sich über die Leiche, über den verkohlten Hals. Der Geruch ist widerwärtig. Olli vermutet, dass er ihm bis an sein Lebensende in der Nase bleiben wird.
»Ich hab den Henry angezogen«, gesteht Elli leise. »Im Bett hab ich ihn gefunden, so wie Sie gesagt haben. Ich habe ihn angezogen und auch das Ding weggemacht. Das … Kondom.«
Tossavainen nähert sich ihr vorsichtig, fast schleichend, um das, was gerade furchtsam zum Vorschein kommt, nicht zu verscheuchen.
»Warum?«, fragt er ruhig. »Warum haben Sie das getan?«
Ellis Blick irrt über den Fußboden, richtet sich plötzlich auf Tossavainen und verweilt dort. Plötzlich ist alles zu viel. Elli bricht zusammen, der letzte dünne Faden, der sie aufrecht gehalten hat, reißt. Sie bricht in bitteres Weinen aus, so heftig, dass sie zu ersticken glaubt.
Tossavainen nimmt sie in die Arme und spürt, dass ihr die Beine versagen. Jaatinen wendet sich ab. Er bringt sein Leben damit zu, in andere Menschen hineinzuschauen, doch dieser Blick in das Innere eines lebenden Menschen tut weh. Er weiß nicht, was er tun soll. Sein Blick streift über den Tisch und findet die Teetasse. Er nimmt sie und trinkt einen Schluck von seinem Tee, der abgekühlt ist und unerträglich bitter
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