Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
wir ein solches im Regal stehen haben.“
„Ja, Mylord.“
Mylord hatte sie gesagt, als seien sie Bekannte und nicht Vater und Tochter. Betroffen ließ Stacey ihre Antwort im Raum stehen und bedeutete ihr mit einer Geste, dass sie entlassen war. Er sah ihr nach, wie sie ruhig zur Tür ging und die Klinke herunterdrückte. Am liebsten wäre er zu ihr geeilt, um sie in die Arme zu schließen und ihr tröstend zuzureden, dass alles gut würde und er verstünde, weshalb sie so trotzig war. Indes fühlte er sich wie gelähmt und konnte sich nicht überwinden, Julia seine Hilflosigkeit zu gestehen. Er musste ein Institut finden, dessen Leiterin mit Verständnis und Feingefühl daranging, eine Dame aus seiner Tochter zu machen.
2. KAPITEL
Lord Malcomby hatte von einem Institut in Ipswich gehört, das Julia eventuell aufnehmen würde, und seinem Sohn vorgeschlagen, sich vor Ort ein Bild von der Schule zu machen. Statt wieder mit der Postkutsche zu reisen, machte Stacey sich diesmal zu Pferd auf den Weg. Es gab keinen nennenswerten Grund für seine Entscheidung, außer vielleicht den, dass er mehr Ruhe zum Nachdenken fand, wenn er allein ritt. Er war sich noch immer nicht sicher, ob er die richtige Wahl für seine Tochter getroffen hatte, und so gewann er etwas Zeit, um das Für und Wider abermals zu überdenken. Unterdessen war Julia in Malcomby Hall gut aufgehoben, denn die Begebenheit am See hatte bewirkt, dass der Earl und seine Gemahlin die Unternehmungen der Enkeltochter wachsamer verfolgten.
Er ritt an der Küste entlang und lenkte Ivor auf einen Felsvorsprung, um den Ausblick zu genießen. In der Bucht unterhalb der Klippen entdeckte er eine Frau, die am Strand mit einer Schar Jungen und Mädchen Fangen spielte. War sie eben noch mit ausgebreiteten Armen und schief sitzender Schute ihren Schützlingen nachgelaufen, wirbelte sie nun plötzlich herum und ließ sich von den ausgelassen quietschenden Rangen verfolgen. Stacey schmunzelte. Wie viele Kinder mochten es sein, die dort unten so glücklich umhertollten? Ein Dutzend? Bestimmt waren nicht alle Sprösslinge der jungen Frau. Sie sahen ganz unterschiedlich aus: Manche hatten dunkles, manche strohblondes Haar, einige waren ordentlich angezogen, die meisten liefen allerdings zerlumpt herum. Sie hatten die Schuhe ausgezogen und nahe des steilen Pfades abgestellt, der die Klippen hinaufführte. Die Frau trug ein einfaches schwarzes Kleid und einen schwarzen Umhang. Wäre sie nicht so unübersehbar vergnügt gewesen, er hätte vermutet, dass sie in Trauer war.
Umringt von einer Traube aufgeregt schnatternder Kinder blieb Charlotte stehen, um zu Atem zu kommen. Plötzlich glaubte sie, jemandes Blick auf sich ruhen zu spüren, und sah sich um. Tatsächlich, oben, auf der Klippe, stand ein Reiter und beobachtete sie. Regungslos saß er auf einem weißen Pferd, nur sein weiter Umhang flatterte heftig im Wind. Als er bemerkte, dass sie in seine Richtung spähte, lüftete er seinen Hut und deutete eine Verbeugung an. Mit leichtem Unbehagen wandte Charlotte sich ab, richtete die Schute und drängte ihre Schüler, ihre Muscheln und Meerespflanzen einzusammeln. Nachdem alle ihre Schuhe aufgelesen hatten, schickte sie die Kinder den Pfad hinauf. Oben angelangt, wagte sie den Reiter, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte, flüchtig anzusehen, und stellte fest, dass er ausgesprochen attraktiv war. Als sich ihre Blicke trafen, lüftete er abermals den Hut. „Guten Tag, Ma’am“, grüßte er sie mit amüsiert blitzenden Augen.
„Guten Tag, Sir.“
„Sie haben eine große Familie, Ma’am.“ Hingerissen betrachtete Stacey die außergewöhnlich schöne Frau vor ihm. Ihr Teint war hell und klar, in den seidigen Locken, die unter der Schute hervorlugten, verfing sich die Sonne und verlieh ihnen einen rötlichen Schimmer. Sie besaß Augen von einem Blaugrün, das ihn an das weite Meer erinnerte.
Sie sah zu ihm hoch und lächelte. „Man könnte meinen, es seien alles meine Kinder, nicht wahr? Aber ich muss gestehen, dass nur diese beiden hier meine Sprösslinge sind.“
Sie wies auf Elizabeth und Frances, die vor ihr standen. „Bei den anderen handelt es sich um meine Schüler.“
„Ah, Sie sind also Lehrerin.“
Charlotte wollte widersprechen, besann sich jedoch eines anderen. Heute war sie ja tatsächlich Lehrerin, und wenn ihr Schwager darauf bestand, dass sie Easterley Manor verließ, würde sie womöglich gezwungen sein, sich mit Unterricht ihren
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