Erfuellung
meiner Begräbnisstimmung passte. Ich hatte das Gefühl, zwischen uns wäre irgendetwas gestorben.
Gideon und ich hatten schon viele Krisen durchgemacht, aber dass er sich so stark zurückzog, hatte ich noch nie erlebt, mit einem solchen Maß an Unbehagen und Widerwillen.
Bei anderen Männern hatte ich das schon erlebt, und zwar immer dann, wenn sie kurz davor waren, mir zu sagen, dass sie mich nicht mehr treffen wollten.
Das Abendessen wurde gebracht und auf der Terrasse mit Blick auf den einsamen Strand hübsch angerichtet. Unten auf dem Sand konnte ich ein weißes Pavillonzelt erkennen und erinnerte mich daran, dass Gideon davon geträumt hatte, dass wir beide uns auf einer Liege am Wasser liebten.
Mein Herz schmerzte.
Ich stürzte zwei Gläser kalten, fruchtigen Weißwein hinunter und aß völlig mechanisch, da ich jeden Appetit verloren hatte. Gideon saß mir gegenüber und trug nichts weiter als eine weite weiße Leinenhose, was alles nur noch schlimmer machte. Er sah so verdammt gut aus, so unglaublich sexy, dass es völlig unmöglich war, nicht hinzusehen. Aber zugleich schien er meilenweit von mir entfernt zu sein, eine mächtige, stumme Präsenz, die Begierde in jeder Faser meiner Seele weckte.
Doch der emotionale Graben zwischen uns wurde breiter und breiter. Ich konnte nicht mehr hinüberreichen.
Sobald ich aufgegessen hatte, schob ich meinen Teller von mir. Ich bemerkte, dass Gideon selbst kaum etwas angerührt hatte. Er hatte nur in seinem Essen herumgestochert und mir dabei geholfen, die Flasche Wein zu leeren.
Ich holte tief Luft. »Es tut mir leid. Ich hätte nicht … Ich durfte niemals …« Ich schluckte schwer. »Es tut mir leid, Ace«, flüsterte ich.
Ich schob den Stuhl so heftig zurück, dass die Beine mit einem lauten Kreischen über die Fliesen schabten, und rannte die Terrasse hinab.
»Eva! Warte.«
Meine Füße berührten den warmen Sand, und ich lief auf das Meer zu. Ich zog mir das Kleid über den Kopf und spurtete weiter durch das Wasser, das mir warm wie in einer Badewanne vorkam. Einige Meter noch war es flach, dann sackte der Boden unvermittelt ab. Ich zog die Knie an und ließ mich immer tiefer sinken, froh darüber, dass hier unter Wasser niemand meine Tränen sehen konnte.
Die Schwerelosigkeit linderte meinen Seelenschmerz. Meine Haare wogten um mich herum, und ich spürte die Fische, die auf ihrer Flucht vor dem Eindringling in ihre stille, friedliche Welt sanft an mir vorbeiglitten.
Als ich in die Wirklichkeit zurückgerissen wurde, strampelte ich wild und ruderte mit den Armen.
»Mein Engel«, knurrte Gideon, beugte sich über meinen Mund und küsste mich hart und stürmisch, während er mit mir auf seinen Armen aus dem Wasser stapfte. Er trug mich zu dem Pavillonzelt am Strand, warf mich auf die Liege und bedeckte mich mit seinem Körper, bevor ich überhaupt Atem schöpfen konnte.
Mir war noch immer schwindlig, als er stöhnend sagte: »Werde meine Frau.«
Das war allerdings nicht der Grund, warum ich antwortete: »Ja.«
Gideon war mir in Hosen ins Wasser gefolgt. Nun lag er ausgestreckt auf mir, und der klatschnasse Leinenstoff klebte an meiner Haut, während er mich küsste, als würde er jeden Moment verdursten und nur ich allein könnte sein Leiden lindern. Seine Finger steckten in meinen Haaren und hielten mich fest. Sein Mund küsste mich wie von Sinnen, seine Lippen waren prall wie meine und seine Zunge gierig und besitzergreifend.
Ich lag regungslos unter ihm. Geschockt. Mein verschrecktes Hirn überdachte rasch die neue Situation.
Er hatte sich also so herumgequält, weil er mir diese Frage stellen und nicht, weil er mich verlassen wollte.
»Gleich morgen«, presste er hervor und rieb seine Wange an meiner. Die ersten Bartstoppeln überzogen sein Kinn, und das Kratzen brachte mir zu Bewusstsein, wo wir uns befanden und was genau er tun wollte.
»Ich …« Mein Verstand stellte erneut den Betrieb ein.
»Das Wort heißt Ja , Eva.« Er stemmte sich hoch und sah mit glühendem Blick auf mich herab. »Eigentlich ganz einfach … ja.«
Ich schluckte mit Mühe. »Wir können nicht morgen heiraten.«
»Natürlich können wir das«, erklärte er wild entschlossen. »Und wir werden. Ich brauche das, Eva. Ich brauche die Treueschwüre, die Rechtmäßigkeit … Ich werde sonst noch verrückt.«
Die Welt schien sich plötzlich in einem irrsinnigen Tempo zu drehen, wie in einer dieser rasenden Riesentrommeln auf Jahrmärkten, wo einen die Zentrifugalkraft
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