Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
Bruder?
Ohne es wirklich zu glauben, rief sie zögernd: „Cuchulainn? Bist du das?“
Sofort erstarb das Geraschel. Als es wieder einsetzte, schien es sich zielgerichtet in ihre Richtung zu bewegen. Im schwindenden Licht tauchte zwischen den Bäumen ein Paar roter Augen auf. Dann brach die Kreatur aus dem Schatten.
Panik durchfuhr Elphame wie ein Blitz. Das Wildschwein war Furcht einflößend. Sein schlammbedeckter Körper war so lang wie der eines Mannes, jedoch war es viel kräftiger. Gelbliche Hauer ragten bedrohlich aus dem Kiefer. Es schnupperte und bleckte grauenhaft knurrend die Zähne. Weißer schaumiger Speichel tropfte aus seinem Maul. Sein scharfer Geruch wehte zur Elphame herüber, und ihr Magen zog sich krampfartig zusammen. Die kleinen Augen des Schweins blitzten gefährlich auf. Es senkte den Kopf. Elphame versuchte ihre bleiernen Beine dazu zu bewegen, ihr zu gehorchen. Sie rappelte sich auf, stützte sich schwer auf die Böschung und blinzelte, um ihren Blick zu klären. Zitternd zog sie den Dolch ihres Bruders aus der Scheide, doch ihr rechter Arm funktionierte nicht richtig, und die Waffe glitt ihr aus den Fingern. Der Keiler griff an.
Elphame biss die Zähne zusammen und bemühte sich, vom Ufer wegzukommen. Sie wusste, dass sie sterben würde. Epona, hilf mir, mutig zu sein, betete sie fieberhaft.
„Nein!“
Dieses Wort wurde wie ein Fluch ausgestoßen, und eine geflügelte Kreatur stürzte auf das Ufer und warf sich auf das angreifende Wildschwein. Das Tier wurde von den Füßen gerissen, richtete sich aber mit unglaublicher Schnelligkeit wieder auf. Jetzt konzentrierte es sich nicht länger auf Elphame, sondern sah sich einem neuen Feind gegenüber, einem Angreifer, der mit ausgebreiteten Flügeln und gezogenem Kurzschwert, an dessen Klinge Blut klebte, vor ihm hockte.
Elphame sackte in sich zusammen. Es schien, als wäre die Realität in tausend Stücke zersprungen. Sie musste durch die Substanzder Welt, wie sie sie kannte, hindurchgeglitten und in einer anderen Welt gelandet sein, denn das geflügelte Wesen vor ihr spottete jeglichem gesunden Menschenverstand.
Der Keiler griff erneut an. Das geflügelte Wesen sprang zur Seite und ließ sein Schwert durch die kräftige Flanke der Bestie gleiten. Das Wildschwein schrie vor Schmerzen und Wut auf und wirbelte herum, um seinen Angreifer zu attackieren. Wieder war die geflügelte Kreatur schneller und brachte dem Eber eine weitere Verletzung bei. Mit Schaum vor dem Maul und rasend griff der Keiler an, und versuchte seinen Feind in die Enge zu treiben. Elphame sah, dass der Geflügelte ihr einen Blick zuwarf; ihm schien bewusst zu sein, dass das Wildschwein ihn dorthin drängte, wo sie lag. Er stieß ein fürchterliches Zischen aus, sprang auf den Rücken des Ebers und schnitt ihm mit unglaublicher Schnelligkeit die Kehle durch. Das Wildschwein quiekte und fiel ins Wasser. Blut schoss wie eine Fontäne aus dem Schnitt in seinem Hals.
Die geflügelte Kreatur erhob sich vom Rücken des toten Keilers und machte zwei Schritte auf Elphame zu.
„Bleib, wo du bist!“, rief sie.
Als wäre er gegen eine Glaswand gelaufen, blieb der Geflügelte stehen.
Elphame starrte auf seine Hände. Sie waren mit Blut bedeckt, genau wie das Schwert, das er umklammert hielt. Er folgte ihrem Blick, ließ es sofort fallen und hob die Hände in einer friedvollen Geste.
„Ich werde dir nichts tun.“ Er keuchte und bemühte sich, seine Atmung zu beruhigen, damit seine Stimme Elphame keine Angst einjagte. Ihre Augen waren groß und glasig, und er sah, dass sie am ganzen Körper zitterte.
„So viel Blut“, flüsterte sie mit tauben Lippen.
Sie hätte nichts sagen müssen. Lochlan war sich nur zu bewusst, dass das Blut des Wildschweins ihn bedeckte und seine geschärften Sinne erfüllte. Im klebrigen Rot, das seine Hände verfärbte, konnte er die wilde, starke Seele des Tieres spüren. Sie rief ihn mit barbarischer Stimme, die sein Blut in Wallung versetzte. Der Dämon in ihm rührte sich; siegesgewiss forderte er ihn auf, die Zähne in die Halswunde des Keilers zu schlagen und von seinem Blut zu trinken, dessen bestialische Essenz tief in sich aufzunehmen.Lochlan kämpfte gegen den Drang an. Er musste das Blut abwaschen, sonst würde er ihm nachgeben. Er kämpfte gegen den Schmerz an, der durch seinen Kopf schoss, als er das bösartige Verlangen in seinem Inneren unterdrückte, und beugte sich hinunter, um seine Hände und Arme im Fluss zu reinigen. Er
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