Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
Lippen gehorchten ihr nicht.
Vorsichtig kniete Lochlan sich neben sie. Aus dieser Nähe konnte er das Blut, das ihren Kopf bedeckte und ihr Oberteil durchtränkte, nicht ignorieren. Der Duft bestürmte ihn – ihr Blut war reichhaltig und stark und roch nach weiblicher Macht. Er hörte die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf. Sie wiederholte die Worte aus der Prophezeiung.
Das Blut einer sterbenden Göttin wird dein Volk vom Wahnsinn heilen.
Nein! Elphame durfte nicht sterben. Nicht hier – und nicht jetzt. Er biss die Zähne zusammen, wies den Ruf ihres Blutes zurück und umarmte den Schmerz, der ihn durchfuhr, als er sich von seinen grundlegenden Bedürfnissen abwandte. Einen Arm legte er um ihren Rücken, den anderen schob er unter ihren Knien hindurch. Er zögerte. Seine Kräfte waren übermenschlich, er hätte kein Problem damit, sie zu tragen, aber ihm graute vor den Schmerzen, die er ihr damit verursachen würde.
„Vergib mir“, sagte er.
In einer fließenden Bewegung hob er sie auf seine Arme. Sie stöhnte, und der Klang riss an seinem Herzen. Er streckte die Flügel aus, um besser das Gleichgewicht halten zu können, und trug Elphame so schnell wie möglich den steilen Abhang hinauf.
Ein weiterer Donnerschlag zerriss die Luft, gefolgt von einem Blitz. Lochlan schaute zum Himmel. Ein Sturm zog vom Meer herauf. Elphame brauchte einen Unterschlupf, und ihre Wunden mussten versorgt werden. Frustriert biss er die Zähne zusammen. Er sollte sie zu seiner Unterkunft tragen, aber erst musste er nach ihren Verletzungen sehen. Suchend schaute er sich um. Solange der Regen nicht allzu stark wurde, würde ein Baldachin aus Kiefernzweigen ausreichend Schutz bieten. Er ging ein paar Schritte weiter in den Wald hinein, bis er eine Stelle unter einer alten Kiefer fand, deren Äste besonders dick mit Nadeln bedeckt waren. Mit den Füßen scharrte er trockene Nadeln auf einen Haufen, dann hockte er sich hin und legte Elphame vorsichtig auf dieses behelfsmäßige Lager.
Ihre Augen waren geschlossen, und sie zitterte am ganzen Körper.Sie trug nur ein ärmelloses Wickeltop und ein kleines dreieckiges Tuch. Das glatte Pferdefell, das ihre Beine bedeckte, war klitschnass, sie schienen nicht verletzt zu sein. Lochlan sah an ihnen weder Blut noch Schwellungen. Sein Blick ging zu ihrem Oberteil. Es war an einer Seite zerrissen und von Blut durchtränkt. Sein Magen zog sich zu einem Knoten zusammen. Schmerzen schossen durch seinen Kopf, während er sich bemühte, dem dunklen Impuls nicht nachzugeben, der ihn zu überwältigen drohte.
Er würde nicht von ihrem Blut probieren; der Dämon in ihm würde nicht die Oberhand gewinnen. Nach einem tiefen Atemzug riss er sich zusammen. Als er sich wieder Elphame zuwandte, klang seine Stimme angespannt, aber kontrolliert.
„Elphame, ich muss deine Wunden untersuchen.“
Sie öffnete die Augen nur einen kleinen Spalt. „Das hier ist kein Traum.“
„Nein. Das ist kein Traum. Ich will dir nicht noch mehr Schmerzen bereiten, aber ich muss sehen, wie schwer du verletzt bist.“
„Dann tu es.“ Sie schloss die Augen wieder.
Er musste ruhig bleiben. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für zitternde Hände und panische Gedanken. Er war mehr Mensch als Dämon. Er konnte das schaffen.
Lochlan nahm einen zittrigen Atemzug und öffnete den Riss in Elphames Oberteil noch ein Stück weiter. Die Wunde war lang und hässlich. Er sah, dass Haut und Muskeln gerissen waren, aber als er sie genauer untersuchte, stellte er erleichtert fest, dass der Riss nicht so tief war, wie er erwartet hatte. So vorsichtig wie möglich befühlte er ihren Oberkörper. Keine gebrochenen Rippen. Das Blut konnte frei fließen. Lochlan biss die Zähne zusammen, um den Dämon in seinem Blut in Schach zu halten. Er hieß den Schmerz willkommen, der seine Schläfen marterte, half er ihm doch dabei, die Wunde mit rein klinischem Blick zu betrachten. Er würde eine Kompresse anlegen müssen, um die Blutung zu stoppen. Als Nächstes untersuchte er Elphames Kopf. Diese Verletzung machte ihm mehr Sorgen als die an ihrer Seite, aber es gab nichts, was er hier tun konnte.
Lochlan überlegte, was er benötigte. Im Laufe seines über ein Jahrhundert dauernden Lebens hatte er einiges gelernt – seine Art war langlebig, aber nicht unsterblich und schon gar nicht gefeitgegen Verletzungen. Er hatte schon viele Wunden versorgt und unzählige Verletzungen behandelt. Abrupt sprang er auf und lief zur Schlucht
Weitere Kostenlose Bücher