Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
hervorragende Abendessen aus gebratenem Wildschwein. Beim Gedanken daran musste sie lächeln. Sie hatten alle zusammen an den neu gezimmerten Tischen gesessen, die in Länge und Tiefe so ausgerichtet waren, dass Zentauren und Menschen gleichermaßen daran Platz hatten, und geschmaust. Anders konnte man dieses Festmahl nicht nennen. Die Fenster der Großen Halle hatten immer noch keine Glasscheiben, und die Wände waren immer noch geschwärzt vom Brand und nackt, da die Wandteppiche noch gewoben wurden. Das tat dem Gefühl von Kameradschaft, das förmlich greifbar in der Luft lag, aber keinen Abbruch. Mit Brighid und Brenna zu ihrer einen und Cuchulainn und Danann zu ihrer anderen Seite sowie dem fröhlich lärmenden Clan um sich war es für Elphame einfach gewesen, den Schmerz in ihrem Körper zu vergessen … nicht jedoch Lochlan.
Falls sie ab und zu mal in die Ferne gestarrt und den Faden der Unterhaltung verloren hatte, so hatte sich niemand etwas dabei gedacht. Immerhin waren ihre Verletzungen schwer gewesen, auch wenn sie sich jetzt langsam auf dem Weg der Besserung befand. Niemand hätte auch nur ahnen können, wohin ihre Gedanken schweiften.
Sie wäre die ganze Nacht dortgeblieben, umgeben von den Mitgliedern ihres Clans und versunken in beflügelnde Gedanken, wenn Brenna nicht darauf bestanden hätte, dass sie sich ausruhen musste – sie hatte sogar gedroht, ihr einen Krug ihres medizinischen Tees zu brühen, wenn sie nicht freiwillig ins Bett ging.
Begleitet von warmherzigen Wünschen für eine gute Nacht hatte Elphame sich in ihre Gemächer zurückgezogen. Auch wenn ihr Schlafzimmer sehr privat und gemütlich und ihr Körper definitiv müde war, wollte ihr Geist nicht lange genug Ruhe geben, um sie einschlafen zu lassen.
Sie hatte ihr Zuhause, und sie hatte ihren Clan. Jetzt fehlte ihr nur noch ihr Lebenspartner …
Ihr Lebenspartner. War er das wirklich? Während sie die steile Treppe im Turm erklomm, drängten sich Zweifel in ihren Kopf. Im Wald, als sie in seine Augen gesehen hatte, war es so klar und eindeutig gewesen. Sie hatte gespürt, dass er ihre Zukunft widerspiegelte, aber jetzt – im Licht der Wirklichkeit – hatte sie Unmengen an Fragen. Sie wollte ihn wiedersehen. Sie musste mit ihm zusammen sein, mit ihm reden und Zeit mit ihm verbringen, ihn besser kennenlernen. Er schien sie so gut zu kennen; er konnte ihre Gefühle lesen, als hätten sie ihr ganzes Leben gemeinsam verbracht, aber er war für sie ein Fremder – ein geheimnisvoller, geflügelter Fremder. Wie könnte sie überhaupt mit ihm zusammen sein? Ihr Clan würde es nicht verstehen – sie verstand es ja nicht einmal selbst. Könnten sie ihn jemals akzeptieren?
Noch bevor die Treppe endete, wirbelte der unruhige Nachtwind um Elphame und hüllte sie in den Duft von frisch geschlagenem Holz, das im Turmdach verarbeitet worden war. Es roch nach Wald – dem Wald, in dem ihr Liebhaber wachte und sie beobachtete. Sie atmete tief ein und genoss den Geruch, der für sie bereits tief mit Lochlan verbunden war.
Sie stieg auf die Empore und stellte fest, dass der Turm des Stammesführers größer war, als er von unten aussah. Der Raum war perfekt rund, die Fenster schmale, vom Boden bis zur Decke reichende Schlitze, die gleichmäßig in den Wänden eingelassen waren. Dazwischen steckten Fackeln, und es gab einen großen Kamin, doch weder das Feuer darin noch eine Fackel brannte. Der Halbmond warf sein schüchternes blasses Licht in den dunklen Turm. Elphame drehte sich langsam einmal im Kreis und ließ ihren Augen Zeit, sich an die Nacht zu gewöhnen. Ein Fensterschlitz war größer als die anderen und reichte bis zum Boden. Sie ging darauf zu und genoss das Gefühl, hierher zu gehören.
Als sie die Öffnung erreichte, merkte sie, dass es kein Fensterwar, sondern ein Ausgang, der auf einen kleinen Balkon führte. Lächelnd trat sie unter den nächtlichen Himmel und nahm den Ausblick mit jeder Faser ihres Herzens in sich auf. Der Balkon zeigte in Richtung Burgeingang, und sie schaute somit ostwärts, über den Wald. Von diesem erhöhten Punkt aus blickte sie auf ein endlos erscheinendes Meer aus Kiefern. Äste bewegten sich ruhelos im Wind. Schatten flirrten und huschten durch ihr Blickfeld. Elphame strengte ihre Augen an. War das der Umriss eines Flügels, der sich dort im Einklang mit den dunklen Zweigen bewegte?
Das konnte nicht sein.
Sie seufzte und ließ den Blick zur Burg gleiten, die unter ihr ruhte. Musik und Licht
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