Eric
breit, holte tief Luft und zog den Helm so weit wie möglich über die Ohren.
Rincewind schlich durch die Straßen der Stadt, und Eric hielt sich dicht hinter ihm.
»Suchen wir nach Elenor?« fragte der Junge.
»Nein«, sagte der Zauberer fest, »wir suchen nicht nach ihr, sondern nach einem Weg aus der Stadt. Und wir werden nicht zögern, ihn zu beschreiten.«
»Das finde ich unfair!«
»Elenor ist viele tausend Jahre älter als du! Ich meine, reife Damen können recht reizvoll sein, aber derartige Beziehungen sind nie von Dauer.«
»Ich verlange, daß du mich zu ihr bringst«, jammerte Eric. »Hinfort!«
Rincewind blieb so plötzlich stehen, daß der Junge gegen ihn prallte.
»Hör mal«, sagte er, »wir sind hier mitten im berühmtesten dummen Krieg, der jemals stattgefunden hat. Gleich fallen Hunderte von Kriegern übereinander her, und du möchtest, daß ich eine weit überschätzte Frau finde und ihr mitteile: He, mein Begleiter möchte wissen, ob du bereit bist, mit ihm auszugehen. Nun, ich weigere mich, und zwar strikt.« Rincewind trat zu einem weiteren Torbogen in der Stadtmauer. Es war kleiner als das Haupttor, und dort standen keine Wächter. Die Tür bestand aus dünnem Weidengeflecht.
»Wir mischen uns hier in nichts ein«, fuhr Rincewind fort. »Wir sind noch nicht einmal geboren und kaum alt genug, um in den Kampf zu ziehen. Der Krieg geht uns null an, und wir werden unter allen Umständen vermeiden, den Lauf der Geschichte in irgendeiner Weise zu beeinflussen.«
Er öffnete die Tür, was dem ephebianischen Heer etwas Mühe ersparte – es hatte gerade anklopfen wollen.
Den ganzen Tag über tobte die Schlacht. Später berichteten Historiker ausführlich darüber: Sie erzählten von entführten schönen Frauen, von in See stechenden Flotten, vom Bau hölzerner Tiere, von Helden, die gegeneinander kämpften. Die von Rincewind, Eric und Truhe geleisteten Beiträge blieben leider völlig unberücksichtigt. Den Ephebianern fiel auf, daß ihnen die tsortanischen Verteidiger mit großem Enthusiasmus entgegenliefen, doch sie wollten sich nicht unbedingt ins Kampfgetümmel stürzen: Alle Anzeichen deuteten auf eine ziemlich überstürzte Flucht hin.
Darüber hinaus übersahen die Chronisten auch noch einen anderen interessanten Aspekt des historischen klatschianischen Militärwesens. Damals befand sich der Krieg in einem primitiven Stadium, betraf einzig und allein Soldaten; die Zivilbevölkerung durfte noch nicht daran teilnehmen. Im Grunde genommen wußten alle, daß früher oder später jemand gewann. Einige bemitleidenswerte Generale würden den Kopf verlieren (und zwar nicht im übertragenen Sinne); in Form eines großzügigen Tributs bekam der Sieger viel Geld für seine Mühe, und anschließend kehrten alle nach Hause zurück, um die Ernte einzubringen – in der Hoffnung, daß die verdammte Frau endlich entschied, auf welcher Seite sie stehen wollte, das dumme Flittchen.
Das Leben in den tsortanischen Straßen ging also mehr oder weniger normal weiter. Hier und dort wichen die Bürger Kämpfern aus oder versuchten, ihnen Lammfleisch zu verkaufen. Einige besonders geschäftstüchtige Leute begannen damit, das Holzpferd zu demontieren, um Souvenirs anzubieten.
Rincewind nahm das sonderbare Geschehen einfach hin. Er setzte sich an den Tisch eines Straßencafes und beobachtete mehrere Duelle zwischen den Marktbuden. Rufe wie »Leckere Oliven!« und »Achtung, heiß und fettig!« vermischten sich mit den Schreien der Verwundeten.
Es fiel dem Zauberer schwer zu verstehen, warum sich die Soldaten entschuldigten, wenn sie versehentlich Kunden anrempelten. Noch schwerer fiel es ihm, den Besitzer des Cafes vom Wert einer Münze zu überzeugen, die den Kopf eines Souveräns zeigte, dessen Urururgroßvater erst noch geboren werden mußte. Zum Glück glaubte der Mann schließlich, die Zukunft sei ein anderes Land.
»Und eine Limonade für den Jungen«, sagte Rincewind.
»Bei meinen Eltern darf ich Wein trinken«, behauptete Eric. »Sie erlauben mir ein Glas.«
»Oh, natürlich«, erwiderte der Zauberer spöttisch.
Der Wirt wischte mit einem Lappen über den Tisch, um den Schmutz darauf gleichmäßig zu verteilen.
»Seid ihr hier, um dem Kampf zuzusehen?« fragte er.
»In gewisser Weise«, antwortete Rincewind vorsichtig.
»An eurer Stelle würde ich nicht zuviel herumlaufen«, fuhr der Wirt
fort. »Es heißt, ein Zivilist hätte das ephebianische Heer in die Stadt gelassen… Was natürlich nicht
Weitere Kostenlose Bücher