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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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genügte, um die Pläne des jungen Mannes weiter wachsen zu lassen. Darin bist du wie dein Vater, dachte Tyrkir bekümmert, und falls die Träume sich nicht erfüllen, wirst auch du mich sicher fragen, wie es nun weitergehen kann. Er sah Leif von der Seite an. Nein, du bist nicht allein der Sohn meines Wikingers. Die Kraft hast du von ihm, vielleicht noch das Haar, aber Augen, Wuchs und vor allem deine Bewegungen erinnern mich an Thjodhild. Außerdem bist du nicht von diesem unseligen Jähzorn und Ehrgefühl besessen, sondern wägst ab, ehe du handelst. Vielleicht, Tyrkir schmunzelte über sich selbst, ja vielleicht hast du diese Eigenschaft. Kurz nachdem sie in die Hausweiden geritten waren, verstummte Leif und zügelte sein Pferd. »Hörst du?«
    Tyrkir runzelte die Stirn und nickte. Aus den nahen Wacholderbüschen drang sonderbares Klatschen, dann Aufheulen eines Kindes, gleich gefolgt von Gekicher, und wieder vernahmen sie das Klatschen.
    »Die Stimmen kenne ich.« Schon saßen beide ab, schlichen zum ersten Busch und spähten durch die Zweige. Freydis stand vor ihrem kleineren Bruder. Sie hielt ihm die zusammengelegten Handflächen hin. »Jetzt du.«
    »Ich will nicht mehr«, schimpfte Thorstein.
    »Du musst, sonst verprügle ich dich.« Mit rot glühenden Wangen gehorchte der Junge, presste die Hände zusammen und führte sie tapfer bis an die Fingerspitzen der Schwester. Ein kurzes Schniefen, dann schlug er nach Freydis Hand, traf aber ins Leere.
    »Du Trottel!« Sie kicherte vergnügt. »Ich zeig’s dir noch mal.« Freydis gewann ihr Spiel. Nicht genug, ehe Thorstein ausweichen konnte, hieb sie ihm von rechts und links ins Gesicht, dass der Kopf hin- und herflog. Mehr aus Zorn, denn vor Schmerz heulte der Siebenjährige auf.
    »Du bist dran!«, forderte die Schwester.
    Auch der Tapferste sollte nicht sinnlos gegen eine Übermacht ankämpfen, schluchzend versteckte Thorstein seine Arme auf dem Rücken. »Das ist kein schönes Spiel!«
    »Du Trottel! Ich zeig dir, wie fein das Spiel ist.« Freydis holte zum Schlag aus. Ihr Handgelenk wurde gepackt. »Wag es nicht!« Sie riss den Kopf herum. »Lass mich mitspielen, Halbschwesterchen!« Leif verstärkte den Griff, und ohne sein Lächeln zu verlieren, zwang er sie in die Knie. »Na komm, steh auf!«
    »Verdammt! Du brichst mir den Arm.«
    »Das tut mir Leid.« Halb zog er sie hoch und mit einem leichten Stoß gab er sie frei. Bäuchlings fiel die Schwester ins Gras. »Entschuldige.«
    Sofort war Freydis wieder auf den Beinen. »Nein, es hat dir gefallen, weil ich schwächer bin. Und wag es nicht noch mal, mich Halbschwester zu nennen. Ich bin in unserer Familie genauso viel wert wie du und Thorvald und dieser kleine Scheißer da, merk dir das!« Zitternd vor Zorn strich sie die blonden Locken aus dem Gesicht. »Wer eine Frau schlägt, der ist ein Feigling. Ein räudiger Köter. Ein, ein …« Ehe sie zum nächsten Schimpfwort kam, sagte Leif: »Schade.«
    »Was?« Verblüfft hielt sie inne.
    Der Bruder sah an ihr hinunter, seufzte und schüttelte leicht den Kopf.
    »He, was meinst du damit?«
    »Diese schlanken Beine. Bei deinen Brüsten sollte man nicht glauben, dass du erst zwölf Winter zählst. Ach ja, und diese braunen Augen. Nein wirklich, jetzt schon bist du eine schöne Frau.«
    Seine Schmeichelei ließ ihr Gesicht weich werden und nach einem Seufzer fuhr er fort: »Nur, Schwesterchen, sobald du deinen hübschen Mund aufmachst, wird jeder Freier den Schwanz einziehen und davonrennen.«
    Schnell wich er zur Seite und ihre Faustschläge trafen ins Leere. »Du! Du verdammter Hundsfott!« Freydis wandte sich ab, trampelte mit den Füßen auf der Stelle und weinte schließlich.
    Gleich zu Beginn hatte Tyrkir ihren kleinen Bruder in seine Obhut genommen, jetzt strich er ihm über den Kopf. »Na, wie wär’s? Willst du mit auf mein Pferd?« Der Junge nickte und beide gingen voraus.
    »Friede?« Leif räusperte sich vernehmlich. »Mein Gaul trägt auch zwei. Wär ja schade, wenn du die Ankunft der Knechte verpasst. Ich meine, wir haben heute großes Jagdglück gehabt.«
    Ohne sich nach ihm umzudrehen rannte Freydis los, Leif beeilte sich, doch sie war noch vor Tyrkir und dem kleinen Bruder bei den Pferden, raffte ihr Kittelkleid und schwang sich in den Sattel. Sofort ritt sie los, Leif fluchte hinter ihr her, sie lachte und kehrte erst nach einem weiten Bogen durch die Wiese zurück. »Was ist, Brüderchen. Soll ich dich mitnehmen?«
    »Weibsstück.«
    Er stieg

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