Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
die dampfenden Stücke vor ihnen lagen, war eine Zeit lang allein das Klappern der Messer und genüssliches Schmatzen zu hören, bis nur noch der Duft nach gegrillter Leber übrig blieb.
Erik rülpste ausgiebig, leckte sich die triefenden Finger und hob das Trinkhorn. »Wohl dem Herrn, der solch eine Hausfrau hat!« Bis auf Thjodhild stimmten die Erwachsenen mit ein. Noch setzte er das Gefäß nicht an, sondern sah streng zur Tischbank der jungen Leute hinüber.
Dort schwatzten Freydis und Thorvald unbekümmert mit den blonden Nachbarstöchtern, lange hatten sie sich nicht getroffen und die Neuigkeiten sprudelten über. Ingva zählte vierzehn Winter und Sigrid hatte gerade ihren dreizehnten Geburtstag gefeiert, zwei lebhafte, sommersprossige Jungfrauen, die gerne und viel zu oft ihre Kichergrübchen zeigten.
»Maul halten!«
Erschreckt fuhren die Köpfe herum.
»Thor sei Dank!« Erik nickte erleichtert. »Wenigstens weiß ich jetzt, dass ihr nicht ganz taub seid. Also von vorn, damit ihr’s lernt.« Nun erhob er sich sogar von seinem Sitz, rot-grau der Bart und das Haar; seine Gestalt hatte an Fülle zugenommen und verlieh dem Hünen auch ohne Worte den nötigen Respekt.
Gehorsam sprangen die jungen Leute auf. Die Eltern der Mädchen tauschten mit der Gastgeberin einen anerkennenden Blick und folgten seinem Beispiel. Leif blinzelte dem gleichaltrigen Egil zu, das genügte, beide standen neben Tyrkir und waren bemüht, den Hausherrn nicht durch ihr Feixen erneut zu unterbrechen.
»Den Göttern sei Dank, dass sie unser Land lieben und wir genug Nahrung haben für Mensch und Tier.« Er nannte Thor, Odin und Baidur, pries ausführlich ihre Vorzüge und Tyrkir dachte, wie hast du dich doch verändert, mein Wikinger, je älter du wirst, umso länger werden deine Lobreden. »Doch mein Dank gilt nicht nur den Asen in Walhall, sondern auch der Köchin, die dieses schmackhafte Mahl für uns bereitet hat.« Endlich hob er wieder das Trinkhorn. »Wohl dem Herrn, der solch eine Hausfrau an seiner Seite hat. Ein Hoch auf meine geliebte Thjodhild.«
Jung und Alt stimmten mit ein, gemeinsam leerten sie ihre Trinkhörner und Becher. Erik sah zum Nachbartisch, die Halbwüchsigen hatten sich schnell gesetzt und tuschelten wieder miteinander. »Etwas Zucht muss euch schon beigebracht werden«, brummte er, schmeckte mit der Zunge nach und verzog das Gesicht. »Ein Hoch, bei dem Sauermilch getrunken wird, wirkt nicht. Was ist, Schlaukopf? Ich denke, wir sollten das mit Wein noch mal versuchen.«
»Aber nur, wenn du nicht wieder bei den Göttern anfängst.«
»Wag es nicht …«
»Friede«, unterbrach ihn Tyrkir scharf, »sonst gibt es keinen Tropfen von meinem Beerenwein, Herr!«
»Sei froh, dass wir Gäste haben, Herr!«
Ingolf und Solveig hielten den Atem an, erst als die beiden Freunde grinsten und Thjodhild mit hochgezogenen Brauen schmunzelnd über sie den Kopf schüttelte, waren die Nachbarn erleichtert. Kein Streit, es war nur bissiger Spott unter Freunden.
Nach dem zweiten Schluck brachte Erik das Gespräch auf seinen Dammbau und den Traum, bald die Wiesen zu jeder Zeit im Sommer bewässern zu können. Ingolf Arnesson hörte ihm mit großem Interesse zu. »Wenn es bei dir tatsächlich gelingt, dann werde ich auch versuchen, meinen Bach zu stauen. Nur versteh ich nicht, wie …«
»Geduld! Auf dem nächsten Thing werde ich alle Gutsherren auffordern, sich meinen ersten Damm anzusehen.«
Tyrkir hob die Brauen. »So schnell. Willst du bis dahin wirklich die Mauer geschlossen haben?«
»Fahr du mit dem Jungen nach Norwegen, und wenn ihr zurückkommt, werdet ihr staunen!« Erik wandte sich an Ingolf. »Das ist so.« Er tunkte den Finger ins Trinkhorn und malte für ihn Bachlauf und Damm auf die Holzplatte. »Von oben kommt das Wasser und hier zwischen den Felsen …«
Unbemerkt entfernte sich Thjodhild mit der Nachbarin. Erik hatte ein williges Opfer gefunden und seine Erläuterungen würden wie stets den Abend ausfüllen. Auch die beiden jungen Männer rückten langsam die Hocker vom Tisch weg und kehrten den Alten ihren Rücken zu.
»Hast du schon gehört?«, flüsterte Egil. »Weiter im Westen, da soll es auch noch Land geben.«
»Von wem weißt du das?«
»Ein Händler hat es erzählt und der weiß es von Bjarne, dem Sohn vom alten Herjulf unten in der Handelsniederlassung. Der Bjarne hat das Land gesehen.«
»Nur gesehen?« Enger steckten sie ihre Köpfe zueinander.
»Das ist es ja. Er hat es nicht
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