Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
hinter ihr auf und nahm den Zügel, nach einer Weile lehnte sie sich an seine Brust. »Und ich werde doch einen Mann finden. Bei meiner Mitgift sogar einen, der reich ist, warte nur ab, wenn du von deiner Fahrt zurückkommst, hab ich vielleicht schon einen.«
»Wie viele Jahre muss ich denn unterwegs sein, damit …« Als sie den Rücken versteifte und gleichzeitig die Messerspitze auf seinen Schenkel drückte, zog er es vor, nicht weiterzusprechen.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht in den Ställen, Scheunen und Werkstätten. »Leif hat eine ganze Herde erlegt!« Und als die Treiber schweißüberströmt die hoch beladenen Gestelle an Schulterstricken auf den Hof schleppten, lief das Gesinde zusammen, selbst Thjodhild kam mit Thorstein und den Küchenmägden aus dem Wohnhaus. Zwar waren die Wangen des Kleinen immer noch von den Ohrfeigen gerötet, doch um seinen Mund klebte Rahm, mit dieser Köstlichkeit hatte ihm die Mutter den Kummer versüßt.
»Ich bin stolz auf dich.« Sie berührte den Arm ihres Ältesten und er streichelte leicht die Hand. Diese kleine Berührung bedeutete mehr als nur Freude, war stummer Beweis, wie innig sich Sohn und Mutter verstanden. Leif blickte sich suchend um. »Wo ist Vater?«
»Wo kann er schon sein?« Mit dem Daumen wies sie über ihre Schulter zu den Höhen weit hinter dem Hofgelände. »Er baut an seinem Damm.«
»Schade, ich hätte Vater gerne meine Beute gezeigt. Aber so lange dürfen wir nicht warten.«
Freundlich, aber bestimmt schickte Leif das Gesinde wieder an die Arbeit, befahl seinen Treibern, die Beute vors Schlachthaus zu schaffen und folgte ihnen. Thjodhild blieb mit Tyrkir zurück. »Er ist ein starker Mann geworden«, sagte sie nachdenklich. »Dennoch ist er so jung. Nur gut, dass du ihn auf der Fahrt begleitest.«
»Sorg dich nicht! Als wir uns kennen lernten, war ich nur zwei Winter älter als er.«
»Ja, weißt du noch? Auf dem Markt am Hvammsfjord? Ich sehe dich noch genau vor mir. Schmächtig, rasierter Kopf und die vielen Sommersprossen. Zuerst war ich empört, weil mich ein Sklave einfach von der Seite ansah. Dieser Blick …«
»Schmächtig? Selbst im Vergleich zu Erik würde ich mich nicht so bezeichnen, auch damals nicht. Eher schlank.« Tyrkir schmunzelte. »Heute, nach so vielen Jahren, hab ich etwas Bauch angesetzt, dafür aber die Hälfte meines Gesichtes eingebüßt.«
»Kaum zu glauben, du bist immer noch eitel.« Sie griff zur Stirn und zog eine Strähne unter der Haube vor. »Was soll ich denn sagen. Hier, siehst du. Da sind erste graue Haare dazwischen.«
»Silber«, verbesserte er, »silbrige Streifen. Damit bist du noch wertvoller geworden.«
Für einen Moment sahen sie sich an, bis Thjodhild die Nähe mit einem Lachen überspielte: »Wir schwatzen, als gäbe es nichts zu tun. Heute Abend muss es Leif zu Ehren ein kleines Festmahl geben. Ich schicke Thorvald rüber zu Ingolf. Er soll ihn und seine Familie dazu einladen. Wie wär’s? Du könntest etwas von deinem Gebräu auf den Tisch stellen.«
Sofort verschränkte Tyrkir die Arme vor der Brust. »Das ist Wein. Ich gebe zu, dass er nicht so schmeckt wie der aus Trauben. Aber besser als gar keiner.«
»Sei nicht gekränkt!« Den leichten Spott in ihrer Stimme konnte sie nicht unterdrücken. »Was seid ihr nur für empfindliche Männer. Erik versucht, unsern Bach zu stauen, damit wir angeblich auch bei Trockenheit genügend Wasser für die Hausweiden haben. Aber nach jedem Winter schwemmt ihm die Schneeschmelze seinen Damm wieder weg und jeden Sommer beginnt er von neuem. Wehe dem, der es wagt, auch nur ein Wort gegen seinen Plan zu sagen. Und du? Sonst stets der kluge und nachsichtige Tyrkir, aber sobald es um deinen Wein geht, erträgst du keine Kritik.«
»Von dir schon.«
»Na ja, ich weiß nicht«, neckte sie ihn und wurde ernst: »Aber vielleicht bin ich ungerecht. Ich hab hier Thorstein, meinen kleinen Grönländer, geboren und wir leben in Frieden mit unsern Nachbarn. Denke ich zurück an all die furchtbaren Kämpfe und Ängste auf Island, dann sollte ich wirklich dankbar sein, dass ein Damm gebaut und Wein hergestellt wird.«
Er sah ihr nach, wie sie leichten Schritts zum Haus hinüberging. Es ist wahr, dachte er, das Glück wohnt mit uns. So lange schon. »Und außerdem ist mein Wein gut«, murmelte er auf dem Weg zum eigens für ihn ausgeschachteten Vorratskeller. »Zumindest gibt es keinen besseren auf Grönland.«
Wie hatte sich Tyrkir in den
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