Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
heute genug geflossen.«
Jetzt gerieten die Zuschauer in Unruhe, fühlten sich um den Festschmaus betrogen. Erstickte Flüche, Drohungen wurden laut. Erik besann sich, nahm die Waffe des Holmgängers auf und stach den Stier nieder. Hiernach schleuderte er das Schwert weit von sich. Ohne den Buckligen oder die Gaffer noch eines Blickes zu würdigen, nickte er Tyrkir zu und bestieg sein Pferd. Steif aufgerichtet ritt der Rote davon.
Am Ufer des Sees, ehe der Wald begann, hatte ihn der Freund eingeholt, zog die Packtiere hinter sich her und wagte nicht, Erik anzusprechen.
Auf halber Höhe setzte Regen ein, der Wind peitschte ihn vom Hvammsfjord her den Reitern ins Genick.
»Der Regen war’s«, brummte Erik schließlich. »Er hat den Erdrutsch verursacht, nicht wir.«
»Soll ich nach deinem Arm sehen?«
»Lass nur!« Erik versuchte zu scherzen. »Das kann Frau Schiffsbrust besser als du.«
Wie viele Male Thjodhild schon auf die Basaltbrocken oberhalb des Wegs gestiegen war, wusste sie nicht mehr. Die erste leise Ermahnung der Mutter hatte sie überhört. »Bleib im Haus, Kind! Keine Frau darf ihre Sorge so offen zeigen. Der Mann kommt zurück oder nicht. So ist das nun mal.«
Als die Tochter wieder das Tuch um die Schulter schlang, hielt sie Thorbjörg an der Tür auf und sagte streng: »Wenn Knechte ihn nun verletzt herbringen und entdecken dich! Was werden sie im Tal erzählen? Die stolze Thjodhild stand wie ein Schaf auf den Steinen, das nach ihrem verlorenen Lamm Ausschau hält. Das wird deinem Mann nicht gefallen. Auch nicht, wenn er gesund wiederkommt.«
»Schweig, Mutter!« Thjodhild unterdrückte den Ärger. »Bitte verzeih, aber ich kann mein Herz nicht einschnüren. Ich muss als Erste sehen, was Erik und Tyrkir widerfahren ist. Und allein sein dabei.«
Die alte Frau hob und senkte den Busen. Nach einer Weile wurde ihr Blick weich. »Glaubst du, ich wüsste nicht, wie schwer diese Stunden für dich sind? Ich will ja nur, dass aus dir eine von allen geachtete Hausherrin wird, mein Kleines. Aber geh nur!«
Seitdem war Thjodhild wieder und wieder hinaufgestiegen, hatte sich aber einen versteckten Platz unterhalb des höchsten Brockens gesucht. Von hier konnte sie bis zur Bergnase weiter unten im Tal blicken und jeden Reiter entdecken, lange bevor er den Habichtshof erreicht hatte. Doch nichts, das Grau der Nacht wich dem helleren Grau des Tages. Thjodhild hatte nicht geschlafen und niemand war bisher um den schwarzen Felshöcker gebogen und den Weg heraufgekommen. Dieses Mal behinderten Regenschwaden ihre Sicht. Enttäuscht wollte sie wieder zurück ins Haus. Da! Bewegten sich nicht Flecken im Steinschwarz? Sie wischte ihre nassen Augen, die Umrisse lösten sich. Reiter, es waren zwei, Reiter, die Packpferde mitführten! Thjodhild wartete, bis sie Gewissheit hatte. Eine große, daneben eine schmale Gestalt, und aufrecht saßen die Männer im Sattel. Aufrecht, das genügte. Schnell verließ sie den Ausguck.
Im Haus blieb sie nahe der Tür stehen und presste die Stirn an den Balken. Ihr Atem flog, das Herz pochte gegen die Schläfen. Werde ruhig!, flehte sie, aber wie nur, jetzt, da alle Angst sich in Freude wandelt? Ach, verflucht, die Mutter hat Recht, ich bin noch längst nicht die Frau eines Wikingers, nur eine unbeherrschte Gans, mehr nicht.
Thorbjörg beobachtete vom Webstuhl aus ihre Tochter. Sie wartete, bis der schlanke Rücken sich straffte, dann ging sie mit einem Schultertuch in der Hand zu ihr. »Nun wird alles gut, mein Kleines!«
»Woher weißt du …?«
Ein Lächeln statt einer Antwort. »Gib mir deinen Schal und nimm diesen trockenen!« Beiläufig erwähnte sie: »Nach solch einem Ritt freut sich jeder Vater, wenn er nicht nur von der Frau, sondern auch von seinem Sohn empfangen wird.«
Endlich waren Stimmen von draußen zu hören. Der Großbauer begrüßte die Reiter, Erik sprach wenig, Tyrkir erklärte knapp, kein Lachen, es waren Stimmen ohne Siegesfreude. Die Tür wurde aufgestoßen und Erik trat herein, gefolgt von Thorbjörn mit dem Deutschen. Die abgespannte Miene des Kämpfers erhellte sich beim Anblick seiner Frau und des kleinen Leif. »Wie gut, dich …« Er sah die Schwiegermutter und pflichtschuldig grüßte er sie zuerst: »Beide Mörder sind bestraft. Unsere Ehre ist rein gewaschen.«
»Stolz erfüllt mich.« Thorbjörg Schiffsbrust reichte ihm einen Becher Sauermilch. Seine Hand zitterte, und ehe er das Getränk an die Lippen führen konnte, schwappte die Hälfte
Weitere Kostenlose Bücher