Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Opfer mehr für die Heuernte darbringen.«
Sie tauschten Höflichkeiten aus, unterhielten sich über Schafe, Pferde, den Fischfang, und wie zufällig lenkte Ulf Einarsson das Gespräch auf die Verteilung des am Strand angeschwemmten Treibholzes. Die Menge sei ausreichend, sodass jeder Hof, auch die Waldbesitzer im oberen Habichtstal, berücksichtigt werden konnten. »Bis auf deinen Schwiegersohn. Wie mir gesagt wurde, hat er genug gerodet.«
»Ganz gleich. Du darfst ihn nicht ausschließen«, verlangte der Großbauer. »Er hat Land von mir erhalten und somit gleiches Recht wie jeder von uns.«
»Deine Freunde, Thorbjörn, kamen zu mir und führten Klage gegen ihn.« Der Ton des Richters wurde kühl. »Wo hält er sich versteckt?«
»Versteckt? Kein Mitglied meiner Familie hat es nötig, sich zu verstecken. Oder willst du mich kränken, Gode?!«
»Bleibe ruhig! Die Angelegenheit betrifft nicht deine Sippe, allein diesen Erik. Und ich muss annehmen, dass er in deinem Haus ist.«
»Weil er … weil er sich von den Wunden erholt.« Mühsam beherrscht setzte Thorbjörn hinzu. »Es war ein ehrenhafter Kampf.«
»Auf den Thorspitzthing in zwei Wochen wollte niemand warten, deshalb haben wir einen Rat abgehalten. Lass Erik herauskommen, oder wenn er zu schwach ist, dann führe uns an sein Lager.«
»Niemand soll es wagen, über die Schwelle meines Hauses zu treten!«
In der Halle umfassten die Knechte fester die Schäfte der Äxte und Speere. Frau Schiffsbrust winkte Thjodhild, sie sollte sich mit den Mägden hinter der Küche in den Vorratsräumen verbergen. Auf ihren leisen Befehl hin ging Tyrkir in die Schlafkammer, um den Freund von der Lage zu unterrichten. Als er wenig später mit dem unbekleideten Erik zurückkehrte, war der Wortwechsel draußen schärfer geworden.
»Ihr alle befindet euch auf meinem Grund und Boden. Zwingt mich nicht, das geheiligte Gastrecht zu brechen.«
»Nimm Vernunft an, Thorbjörn!«, blaffte der Richter. »Du setzt den Frieden mit deinen Nachbarn aufs Spiel. Zum letzten Mal: Gib den Beklagten freiwillig heraus!«
»Nicht ich, du und deine Geschworenen, ihr stiftet Unfrieden.«
Drinnen am Langfeuer knurrte Erik: »Vielleicht verlangen sie das Preisgeld für Hravn zurück? Egal, was sonst können die mir schon wollen. Ich hab mir nichts vorzuwerfen. Aber wenn wir noch länger warten, wird es für Thorbjörn gefährlich. Gehen wir raus!«
Tyrkir hielt ihm das Kittelhemd hin. »Komm, ich helfe dir.« Erik winkte ab. »Keine Zeit«, und schlüpfte durch den Flur aus Torf und Grassoden. »Ruhig, Schwiegervater. Schon gut. Lass mich mit den Leuten reden!«
Widerstrebend gab der alte Mann den Ausgang frei und Erik trat nach draußen. Die kraftvolle, bis auf den Verband am Oberarm nackte Erscheinung verschlug dem Goden die Sprache, auch die zwölf festlich gekleideten Bauern trauten ihren Augen nicht.
Tyrkir schob sich neben den Freund. Schweigen. Auf der rechten Seite gestärkt vom Schwiegervater und auf der linken vom schmächtigen Verwalter, reckte Erik sein Kinn der Abordnung entgegen: »Was starrt ihr mich so an? Glaubt ihr etwa, ich liege mit Mantel und Kappe im Bett?«
»Du … Du weißt wohl nicht …« Ulf Einarsson hatte sich wieder gefasst. »Ich bin der höchste Richter dieser Gegend. Etwas mehr Achtung könntest du mir erweisen.«
Verwundert kratzte der Rote in seinem Brusthaar. »Du wolltest mich sofort sehen. Hier bin ich. Was hab ich falsch gemacht?«
Der Gode stieß den Atem zischend durch die Zähne. »Sei es denn. Verlieren wir keine Zeit mit Reden über Sitte und Anstand. Klage wurde gegen dich geführt. Klage, weil du Ejolf Dreck, den Bruder unseres Freundes Valtjof, heimtückisch erschlagen hast.«
»Da soll doch Thor …«
»Schweig! Auch Hravn, den Sohn des Ari, hast du beim Holmgang getötet.«
Erik nickte. »Das ist wahr. Genug Leute waren dabei.«
»Der Sieg gelang dir nur, weil du gegen die Regeln verstoßen hast.«
Tyrkir sah das Beben, sah die Faust, und ehe der Freund einen Schritt vorsetzen konnte, hielt er ihn zurück.
Erik atmete heftig. »Wer sagt das?«
»Nicht nur die Verwandten, auch Orm der Bucklige, der als Kampfrichter bestellt war, und alle, die dabei waren, bezeugen es.«
Jetzt hob Thorbjörn die Hand. »Ulf, bei unserer Freundschaft, meinem Schwiegersohn geschieht Unrecht. Die Zeugen stammen alle aus dem gleichen Lager. Lass dir auch von ihm und seinem Sklaven den Verlauf des Kampfes berichten. Dann erst urteile!«
»Zwei Stimmen
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