Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
vorgeschriebene Ritual fort: »Wenn der Gegner die Entscheidung sucht, möge er seinen Namen nennen und zu mir kommen.«
»Erik Thorvaldsson!« Ruhigen Schritts näherte sich der Rote, ihm folgte Tyrkir mit den Schilden auf dem Rücken. Weil er nicht wusste, wie viele es sein durften, brachte er gleich alle mit, die sie noch besaßen.
Der Bucklige legte seinen Kopf in den Nacken und sah streng von einem Kämpfer zum anderen. »Über den Grund eures Streites habe ich nicht zu befinden. Meine Aufgabe ist es, diesen Holmgang zu überwachen. Wer gegen die Vorschrift verstößt, soll verflucht sein. Habt ihr mich verstanden? Aha, gut denn. So hört und befolgt!«
In schrillem Singsang verkündete er die Regeln. Die Streiter durften den Lederteppich nicht verlassen, wer einen Fuß außerhalb des Haselgangs setzte, wurde mit dem Ruf: »Er weicht!«, verwarnt. Geriet einer gar mit beiden Füßen über die Grenze hinaus, so traf ihn das Urteil: Er ist geflohen. Damit hatte er den Kampf und seine Ehre verloren und der Sieger durfte ihn töten, wann und wo er wollte.
»Abwechselnd werden die Hiebe und Stiche ausgeführt. Drei Schilde hat jeder Kämpfer zur Verfügung. Wenn eins zerbricht …« Der Schiedsmann unterbrach sich und fuhr auf Tyrkir los. »Was sehe ich da? Drei, nicht vier! Drei, kannst du nicht zählen?«
Sofort warf der Deutsche einen der Schilde beiseite.
»Aha! Betrug gibt es bei mir nicht. Ich werde dich und deinen Herrn im Auge behalten.« Er befeuchtete wieder die Zunge. »Wenn ein Schild zerbricht, so reicht der Waffenhelfer den nächsten. Sind alle unbrauchbar, so wird ohne sie weitergekämpft.« Der Bucklige stockte, etwas hatte er vergessen, wusste aber nicht, was es war.
Hravn Holmgang beugte den Kopf zu ihm hinunter. »Der Preis, du Idiot.«
»Aha. Wie ich hörte, geht es heute nicht um Haus und Besitz. Kann einer das Schwert nicht mehr heben, so muss er drei Mark Silber an den Sieger zahlen, um sein Leben auszulösen. Ist er tot, erhält der Sieger die gleiche Summe. Deshalb …« Er schnippte und streckte den gerüsteten Männern fordernd die Hände hin. »Gebt mir den Schatz zur Verwahrung!«
Der Riese hatte das Silber griffbereit, Tyrkir verwahrte den Geldbeutel des Freundes, nestelte einige Stücke heraus und überreichte sie. »Das wird reichen.«
Weil keine Zeit war, die Gürtelwaage zu benutzen, hatte er mehr gegeben. Urteil der Götter?, fragte er sich. Nein, weshalb wir hergekommen sind, hat mit einem Mal keine Bedeutung mehr. Da steht ein Mörder und Erik will Sühne für dieses Verbrechen. Doch der Holmgang höhlt den Sinn aus. Mit einem Mal suchen beide Gerechtigkeit, kämpfen sogar um die gleiche Summe.
Der Schiedsmann hatte das Silber in eine Schüssel geworfen und stellte sich wieder neben den Stier, berührte eines der geschwungenen Hörner und blickte zu den graudüsteren Wolken. »Nach dem Holmgang wird der Sieger dieses Tier zu Ehren der Götter opfern.«
Endlich, alle Vorbereitungen waren getroffen und die Zuschauer drängten näher. In ihren Mienen war kein Zweifel zu finden, wer gewinnen würde, allein die Spannung, wie lange der Fremde ihrem Helden standhalten könnte. Und nach dem Sieg gab es Braten und Bier im Überfluss!
Jeder Streiter fasste einen Schild und nahm dem Feind gegenüber Aufstellung im Haselgang. Beide wogen den Speer in der rechten Faust. Da Hravn der Herausforderer war, durfte Erik den ersten Angriff führen.
Langsam streckte der Bucklige seinen Arm. »Sieg dem Stärkeren!« Und gab das Zeichen.
Wie bei einem Tanz setzten die Männer zugleich den Fuß auf das Ledergeviert, zogen den zweiten nach. Erik blieb dicht am Rand, trat zwei Schritt nach rechts, Hravn folgte ihm, vier schnelle Schritte nach links, wieder die gleiche Bewegung auf der anderen Seite.
Zwei Raubtiere in einem viel zu engen Käfig, dachte Tyrkir. Für Wendigkeit gibt es da keinen Platz.
Aus dem Stand sprang Erik vor und schleuderte seinen Speer. Hravn trat beiseite, die Waffe fuhr an ihm vorbei, über die Köpfe der Zuschauer hinweg und war verloren. Der Riese riss seinen Speer nach hinten, sofort schützte Erik Kopf und Brust, doch der Gegner ließ den Schaft fallen, das hängende Schwert sprang in seine Faust. Mit einem gewaltigen Hieb schlug er eine tiefe Kerbe in den Schild, dabei schlitzte die geschliffene Spitze das Kettenhemd des Roten. Hravn lachte und nahm seinen Speer wieder auf.
Während Tyrkir dem Freund den zweiten Schild reichte, flüsterte er: »Bist du
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