Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
in den Bart und übers Kettenhemd.
Thjodhild trat zu ihm. »Du bist verletzt?!« Das zerfetzte Ringgeflecht an seinem linken Arm war blutgetränkt, bis zu den Fingerspitzen klebte schwärzliches Blut. »O ihr Götter.«
»Muskeln und Knochen sind noch gut.« Zum Beweis bewegte er die Hand, dabei zog er scharf den Atem ein.
»Komm mit in die Küche!« Kurz entschlossen winkte ihm die alte Bäuerin. Erst wollte sie mit einem Ehrenpreissud die Wunde auswaschen, hiernach ein Pulver aus gestoßenem Labkraut auftragen, darüber Blätter vom Wegerich, dann einen Verband. Bei ihr sei jeder Verletzte in bester Obhut, versicherte sie und erlaubte keinen Widerspruch.
Thjodhild begrüßte den schmächtigen Verwalter mit einem Lächeln. »Leg dein Eisenzeug ab!«
Er gehorchte, und während sie ihm zusah, wie er Helm und Schwert beiseite legte, sehnte er sich mit einem Mal nach einer Berührung von ihr. Nur eine kleine Zärtlichkeit nach diesen elenden Stunden. Sie schien den Wunsch zu ahnen, lächelte wieder und streichelte an seiner statt den kleinen Leif. »Wir sind froh. Wir beide.«
Der Augenblick war vorüber. Ruhig reichte sie ihm den Jungen und ging der Mutter zur Hand, streifte Erik das Kettenhemd über den Kopf, seinen rechten Arm konnte er selbst herausziehen, schmerzhaft war es für ihn, als die Eisenringe von der verharschten Wunde gelöst wurden. Erneut quoll Blut aus dem tiefen Schnitt.
Thjodhild brachte frisches warmes Wasser und schnitt lange Streifen für den Verband. Sie wagte nicht zu fragen, weil Erik schwieg. Später saß er wortlos und erschöpft neben ihr am Langfeuer. Tyrkir berichtete ausführlich von beiden Kämpfen.
Das Ende des Holmgangs ließ sich der Großbauer zweimal erzählen. »Du hast die Regeln eingehalten, Schwiegersohn.« Nachdenklich drehte er den Finger in seinen grauen Bart. »Nur schlecht, dass der Schiedsmann einer vom Spielhof war.«
Kaum hatte sich Erik auf dem Heusack ausgestreckt, übermannte ihn Müdigkeit, mit offenem Mund lag er da; er keuchte und schnarchte. Der Hausherr war mit seiner Frau in die Kammer gegangen, auch das Gesinde hatte sich zur Ruhe begeben.
Tyrkir hockte allein am Langfeuer. Der Glutschein flackerte in seinem Gesicht.
»Ist es wirklich vorbei?« Unbemerkt hatte Thjodhild sich neben ihn gesetzt.
Er sah sie an. »Vorbei? Ja, die Morde sind gerächt. Aber … Die ganze Zeit muss ich an Erik denken. Er hat gut gekämpft, du kannst stolz sein.«
»Was willst du mir sagen?«
Sagen? Niemals werde ich sagen dürfen, was ich für dich empfinde. Tyrkir schüttelte den Kopf und beantwortete ihre Frage: »Jeder andere hätte nach einem solchen Sieg triumphiert. Begreifst du? Aber er trägt schwer an ihm.«
»Nur gut, dass er dich zum Freund hat.«
»Uns. Dich braucht er und den Sohn, ebenso wie mich. Nur gemeinsam finden wir das Glück.«
AUF DEM RUNENSTEIN
DER ERINNERUNG ZU LESEN:
D ie Inschriften sind verwittert. Nur mühsam entziffert das Auge einige Worte und Zeilen:
… das Jahr 934: Krieg, Blut und Verwüstung … Dänemark … besiegt vom deutschen König Heinrich I. … Erzbischof Unni verkündet das Christentum in den eroberten Gebieten des Nordens. Doch den wilden Dänenkönig Gorm kann er nicht bekehren, wohl aber gelingt es ihm, Prinz Harald Blauzahn für die neue Lehre zu begeistern. Hass und Misstrauen sind zwischen Vater und Sohn gesät …
… das Jahr 965: Die Runen werden deutlicher: Seit dreißig Jahren herrscht nun König Harald Blauzahn. Wieder geht eine Schlacht gegen einen deutschen Herrscher verloren. Beim Waffenstillstand verkündet Bischof Poppo vor Harald das Christentum. Der fromme Mann trägt ein glühendes Eisen und zeigt dem König, dass seine Hand nicht verbrennt. Dieses Wunder nimmt Harald den letzten Zweifel an der Macht des Christengottes. Er lässt sich taufen und mit ihm das ganze Dänenheer. Blauzahn zwingt seinen Verbündeten, den norwegischen Jarl Hakon und dessen Gefolge, auch diesen Glauben anzunehmen. Doch kaum ist der heimtückische Jarl zurück in seiner Heimat, da verspottet er die verhasste Lehre … Wieder berichtet der Runenstein von Krieg, Blut und Elend … denn Harald Blauzahn verheert die Küstengebiete Norwegens …
… das Jahr 981: Bischof Frederik kommt mit einem Schiff nach Island. Weil er die Sprache nicht beherrscht, begleitet ihn Thorvald Kodransson. Nur wenige Gutsherren lassen sich vom Klang der mitgebrachten Glocke, vom Weihrauch und Gesang beeindrucken. Hass schlägt den
Weitere Kostenlose Bücher