Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
Nasenlöcher frei blieben.
    »Mehr können wir heute nicht für dich tun.« Hallweig betrachtete ihn ernst. »Morgen schicke ich nach unserer Völva auf dem Adlerhof. Grima muss sich die Wunde ansehen. Keine Sorge, sie wird von deiner Schönheit erhalten, was noch zu retten ist!«
    Erik schwieg und sah auf seine Stiefelspitzen, er wollte dem Richter Zeit lassen, sich ohne fordernden Blick frei zu entscheiden. Nichts hatte der Rote in seinem Bericht beschönigt oder ausgelassen, weder hatte er den Bauern vom Breidahof beschimpft noch sich selbst als Helden beschrieben. Keine Bitte hatte er ausgesprochen. Wenn Hallweigs Mann ihm beistehen würde, so musste er allein aus Überzeugung für eine gerechte Sache handeln, sonst bliebe immer ein schaler Beigeschmack zurück, ganz gleich, wer in dem Krieg siegte.
    Mit einer geschmeidigen Bewegung verließ Thorbjörn den Hochsitz. Er zückte sein Schwert und stieß es vor Erik in den gestampften Boden. »Zu zweit sind wir stark.«
    Schneller noch sprang dem Roten die Waffe in die Faust und Schwertgriff wippte neben Schwertgriff. »Wie soll ich dir danken?«
    »Kein Wort davon. Ein Freund rechnet dem Freund nichts auf.« Die hohe Stirn gefurcht schritt der Gode neben der Feuerstelle auf und ab. Mehr zu sich selbst murmelte er: »Gegen eine Übermacht wird unser Mut allein nicht ausreichen.«
    Namen fielen ihm ein, die meisten verwarf er gleich wieder, schließlich blieben fünf Gutsherren übrig, die er vielleicht für den Kampf gewinnen könnte. »Zwei wohnen hier auf der Südseite, die anderen haben ihre Höfe oben am Breidafjord. Zeit bleibt uns genug.« Er wollte Boten übers Gebirge den Knechten nachschicken, die heute Morgen losgeritten waren. »Die beiden hatten den Auftrag, sich heimlich nach deinem Wohlergehen zu erkundigen. Jetzt können sie stattdessen gleich Verbündete für unsere Streitmannschaft werben.«
    Erik stieß immer wieder die Faust in seine linke Hand. »Drei Wochen hier untätig rumzusitzen, das gefällt mir nicht. Ich kann dir die Arbeit nicht allein überlassen.«
    »Wer sagt das? Du wirst deine und meine Waffentruhen öffnen. Den Schmied beaufsichtigen, dass jede Klinge geschärft ist. Wir haben nicht nur zehn Sklaven auszurüsten, sondern sie auch körperlich vorzubereiten.« Die beiden Schiffe, das Reittier des Meeres und der Seevogel, mussten mit Zelten, Proviant und vom Speer bis zum Schild mit Kampfgerät bestückt werden. Thorbjörn spannte die Lippen. »Von alldem verstehst du mehr als ich. Schließlich habe ich seit fünf Jahren nicht mehr gekämpft.«
    Erik starrte ihn erschreckt an. »Dann habe ich wirklich genug zu tun.«
    Von einem Tag zum anderen veränderte sich das Leben auf Warmquellhang. Kein unbeschwertes Lachen drang mehr aus Küche oder Stall, Mägde und Knechte fürchteten sich vor dem nahen Krieg.
    Hart ging Erik mit den ausgewählten Männern um. Jeden Morgen ließ er sie bis zur Atemlosigkeit laufen, hiernach unterwies er sie im Bogenschießen, im Umgang mit Speer und Axt und befahl ihnen, paarweise ohne Waffe gegeneinander zu kämpfen. Erst am Nachmittag konnten die Erschöpften ihre gewohnte Arbeit auf dem Hof erledigen.
    Längst wusste Tyrkir, wann der Freund mit dem Richter aufbrechen wollte. »Sie segeln nicht ohne mich.« Diesen Satz vermochte er bald so deutlich auszusprechen, dass ihn nicht nur Thjodhild verstand. »Nur wenn wir es erlauben«, entgegneten seine Pflegerinnen einmütig. »Erst muss sich die Narbe ganz geschlossen haben. So lange bleibst du hier.«
    »Sie segeln nicht ohne mich.« Sein Wille und die Kräutersalben der Zauberin vom Adlerhof beschleunigten die Heilung. Nach zwei Wochen gehorsamer Langeweile in der Schlafkammer befreiten ihn Thjodhild und Hallweig vom letzten Verband. Zufrieden begutachteten sie bei Lampenschein den Erfolg ihrer Fürsorge.
    Tyrkir traute den Mienen nicht. »Gebt mir einen Spiegel!«
    »Warte noch!«, bat Thjodhild viel zu hastig.
    »Bin ich so sehr entstellt?« Er blickte von einer zur anderen.
    Hallweig schob die Lippen vor und schüttelte leicht befangen den Kopf.
    »Und du? Was meinst du, Herrin?«
    »Nein, nicht schlimm.« Thjodhild fasste seine Hand. »Bitte, komm mit vors Haus. Ich beweise es dir. Und später gebe ich dir einen Spiegel.«
    Nach der langen Zeit im Halbdunkel blendete draußen das Tageslicht. Gemeinsam mit Hallweig führte ihn Thjodhild zur Hauswiese. Die Kinder lagen nebeneinander auf einer heugestopften Matratze. »Beuge dich über sie, sage etwas. Oder

Weitere Kostenlose Bücher