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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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du mit mir? Wag es nicht …«
    »Hüte dich, mir zu drohen!« Blutrot flammte die Narbe in Tyrkirs Gesicht.
    »Ja, ja, ich weiß.« Trotz der bevorstehenden Schmach grinste Erik. »Herr Schlaukopf.«
    »Gewöhne dich daran, Herr Erik!« Jetzt musste auch Tyrkir lachen.
    Der Freund beschattete seine Augen. »Wenn du dich sehen könntest, würde dir das Lachen vergehen.«
    Jäh ernüchtert sagte Tyrkir: »Ganz gleich. Ich … ich werde dich zum Breidabauern begleiten.« Er wandte die linke Gesichtshälfte ab. »Deinen Spott habe ich nicht verdient.«
    »Auch das war falsch. Verzeih!« Erik legte ihm den Arm um die Schulter. »Bin froh, dass du bei mir bist. Weil, na ja, sonst wär’s noch schwerer.«

 

    DER SPRUCH DES THINGS
    W enige Schritte unterhalb des Gipfels platzte der Schultersack auf und der Glücksstein rollte den Berg hinunter. Tyrkir hetzte ihm nach, warf sich über ihn, doch er entglitt seinen Händen, rollte weiter, wieder gelang es, ihn einzuholen, doch das Glück riss seine Finger blutig, rollte schneller … nicht aufgeben … über einen Felsbrocken sprang Tyrkir hinter ihm her, schmerzhaft schlug er auf, mit zerschundenen Gliedern rutschte er bäuchlings weiter, die Kleidung zerfetzte, sein Leib scheuerte auf … nicht verlieren … da, dicht vor seinen Augen tauchte der Glücksstein weg … kein Halten mehr … schon war auch Tyrkir über die Steilwand hinaus und stürzte; Möwen kreisten, kreischten; tief unten sah er das dunkle Wasser spritzen, als sein Stein aufschlug.
    Mit einem Ruck setzte sich Tyrkir auf. Die Narbenhaut brannte, wie Trost empfand er den Schmerz. Nein, ich falle nicht in den Abgrund. Vorsichtig wischte er den Schweiß aus seinem Gesicht. Neben sich vernahm er das gleichmäßige Schnarchen Eriks. Ich bin in unserm Zelt auf der Ochseninsel. Jetzt war er vollends wach. Dieser Traum. Zum dritten Mal hatte er ihn heimgesucht.
    Vor mehr als einer Woche war er mit Erik, dem Goden und zehn Bewaffneten im Beiboot nach Spitzklipp gerudert. Aus sicherer Entfernung schwenkten sie ein weißes Tuch und wateten erst an Land, nachdem auch die Breidaleute mit einem weißen Lappen Antwort gaben.
    Welch eine Prüfung für Erik. Kaum hatte er den Kampf abgesagt, verfluchte ihn der Bauer. Im Vertrauen auf seine Übermacht nannte er den Roten einen feigen Dieb, einen Mörder und spuckte vor ihm aus. Nur mit Mühe gelang es Thorbjörn Vifilsson, den Jähzorn des Geschmähten zu besänftigen, und er verlangte von Thorgest: »Der Krieg soll nur aufgeschoben sein. Nenne uns einen anderen Tag!«
    Da brach der Herr vom Breidahof in Gelächter aus, bis ihm der Geifer in den Bart floss. »Diese Gelegenheit hat der Bastard verpasst. Jetzt soll das Gericht entscheiden. Auf dem Thorsnessthing werde ich Klage führen. Und bei allen Göttern, für meine Zeugen braucht er mehr als vier Hände, um sie abzuzählen.«
    In der darauf folgenden Nacht hatte Tyrkir zum ersten Mal den Stein verloren und war hinter ihm hergerannt.
    Der Traum überfiel ihn wieder, nachdem der Bote von Thorsness mit einem Schiff in die Bucht der Ochseninsel eingelaufen war und Erik in aller Form die Klage überbrachte hatte: »Du bist vor die Gerichtsversammlung befohlen.«
    »Was nutzt es mir?«
    »Wenn du nicht erscheinst, wirst du in Abwesenheit zur höchsten Strafe verurteilt. Also suche dir Fürsprecher und sieh zu, dass sie dir Gerechtigkeit verschaffen.«
    Bis vorgestern waren alle drei Verbündeten treu bei ihnen geblieben, Thorbjörn hatte sie auf Grund seiner Erfahrung für den Prozess einschwören können. »Ganz gleich, ob ihr beim Brand der Scheune oder beim Kampf dabei wart. Ihr müsst unsern Freund loben, seine Tapferkeit, seinen Edelmut. Ihm ist Unrecht geschehen! Nur ihm!« Ihrer fehlenden Erinnerung wurde durch die Aussicht auf eine beachtliche Summe Hacksilber nachgeholfen.
    Gestern allerdings hatte der Gutsherr aus dem Schwanenfjord seine Zelte abgebrochen. »Versuche dich in meine Lage zu versetzen! Ich lebe hier. Und meine Nachbarn sind auch die Nachbarn des Thorgest vom Breidahof. Bis jetzt weiß noch niemand, dass ich auf deiner Seite kämpfen wollte. Und dies hätte ich auch getan. Aber der Krieg ist abgesagt und ich habe mein Wort zurück. Damit soll’s genug sein. Die Nachbarn werden es nicht verstehen, wenn ich auf dem Thing für einen Fremden die Stimme erhebe. Das begreifst du doch, ich meine, der Frieden zwischen Nachbarn ist wichtiger …«
    Wortlos hatte sich Erik abgewandt und war die Felsenstufe am

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