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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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neben Erik und fasste beide an der Schulter. »Ich gestehe freimütig ein: Wahre Gerechtigkeit lässt sich auf dem Thing nicht erstreiten. Der Weg dahin ist noch weit. Aber von Jahr zu Jahr verbessern wir gemeinsam die Ordnung auf Island. Und ich werde dazu beitragen. Deshalb kämpfe ich für Erik.«
    »Danke.« Der Hüne sah ihn offen an. »Das wollte ich sowieso sagen.«
    Ein Gutsherr in einem blauen Umhang, dessen Brustteile mit roten Adlern bestickt waren, betrat die Hütte. Beim Anblick der drei so vertraut beieinander stehenden Männer zögerte er. »Bin ich hier falsch? Ich suche den Goden, zuständig für die Südseite des Schneefelsgebietes.«
    »Willkommen!« Thorbjörn löste sich und bat den Vornehmen galant zu seinem Hochstuhl. »Ich bin der Richter.«
    »Im ersten Moment dachte ich …« Kurz blickte der Gast über die Schulter zu den beiden unauffällig Gekleideten im Hintergrund. »Nein, ich hätte es mir auch denken können, wer hier der Herr ist. Also, Ejolf vom Schweinseiland sagte mir, dass du Zeugen suchst.«
    Freundlich erkundigte sich Thorbjörn nach Namen und Herkunft, dann legte er den Fall dar, sprach geschickt, hinterfragte, ob der Mann ihm auch folgen konnte, und ließ keinen Zweifel an der Ehrenhaftigkeit seines Schützlings.
    Eine Weile hörte Erik staunend zu, schließlich stieß er Tyrkir leicht mit dem Ellbogen an. »Reden kann er ja. Aber du vorhin, das war noch besser, wollt ich dir sagen, Schlaukopf.«
    Jetzt staunte auch Tyrkir. Zweimal hatte sich der Freund in so kurzer Zeit bedankt. Und das bedeutete viel für den Stolz seines Wikingers.
    Der Sprecher auf dem heiligen Felsen ließ die Arme sinken. Er schwieg. Möwen verloren ihre Neugierde und segelten hinter seinem Rücken übers Wasser davon. Kein Laut drang zu ihm hinauf. Die versammelten Männer außerhalb des geweihten Kreises sorgten verstohlen für einen sicheren Stand und warteten auf das nächste Zeichen des Weisen. Einigen war die Mühe anzusehen, mit der sie seinen Worten gefolgt waren. In wohltönender Sprache hatte er die Gesetze Islands vorgetragen, jedoch nur ein Drittel des Ganzen, wie es der Brauch vorschrieb. Durch seine Wahl war er für drei Jahre zum Obersten Richter und Sprecher des Thorsnessthing erkoren worden. Und damit die Gesetze sich auch in den schwerfälligsten Schädel einnisteten, würde er die weiteren Drittel erst im nächsten und dem darauf folgenden Junigericht zu Gehör bringen.
    Der Weise stieg vom Felsen hinab und betrat den mit Haselstecken und Seilen abgesperrten Platz. Würdevoll schritt er durch die noch leeren Bankreihen zum Altarstein in der Mitte. »Wer von euch Sorgen hat, wer von euch Antwort auf Fragen sucht, der bringe dies nun in gesitteter Form vor die Versammlung!«
    Einen Augenblick nur dauerte das tiefe Atemholen, dann schrie es aus allen Kehlen gleichzeitig. Ein Stimmenorkan brandete auf. Freie Rede für jeden freien Mann! Nur das eigene Anliegen war wichtig. Jeder versuchte, den Nachbarn zu übertönen. Einige zogen Rasseln aus der Tasche und merkten gar nicht, dass mit diesem Lärm auch die eigenen Worte untergingen. Wie ein Turm in der Brandung stand der Oberste Richter neben dem Opferstein, gleichmütig fast nahm er das Geschrei hin.
    In den hinteren Reihen und weit voneinander getrennt gab es zwei Inseln des Schweigens. Kläger und Beklagter, jeweils umringt von ihren Gefolgsleuten. Eingezwängt von Erik und Thorbjörn beobachtete Tyrkir zwischen Schultern und Köpfen hindurch auf der anderen Seite des Platzes den Breidabauern.
    Auch Thorgest hatte die gegnerische Partei ausgemacht und war bemüht, seinen Zeugen den Feind zu zeigen. Achselzucken, wieder Hinschauen, erneutes Achselzucken. Das ist dir nicht gelungen, dachte Tyrkir befriedigt, du hinterhältiger Schuft hast meinen Wikinger nicht vorher wie einen Opferstier zur Schau stellen können. Erik war erst gegen Ende der Gesetzesverkündung zur Thingstätte gekommen, auch jetzt noch trug er eine weite Kapuze, unter der sein Gesicht halb verborgen blieb.
    Tyrkirs Blick heftete sich auf den Mann neben dem Breidabauern. Diese Pelzmütze, der scharf geschnittene Mund, das bartlose Kinn! Es war Ulf Einarsson, der Gode, zuständig für die Gebiete am Hvammsfjord. Großer Tyr, warum lässt du zu, dass unser Feind so übermächtig wird?
    Schnell gab er dem Verteidiger ein Zeichen. Thorbjörn beugte sich zu ihm hinunter. »Dort drüben bei Thorgest steht der Richter, der uns letztes Jahr wegen Totschlags aus dem Habichtstal

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