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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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er und Asmund zusammen auf viele Wikinger-Streifzüge gegangen.
    »Wir werden das Schiff hier zurücklassen«, sagte er, »bis das Wetter aufklärt, und nach Middalhof gehen, um bei Asmund zu bleiben.«
    So machten sie das Schiff sturmfest und ließen Männer zurück, um es zu bewachen; die anderen aber ritten mit Graf Atli nach Middalhof.
    Es muß von Atli gesagt werden, daß er der beste der Grafen war, die in jenen Tagen lebten, und er regierte die Orkney-Inseln so gut, daß die Männer ihm einen Beinamen gegeben hatten und ihn Atli den Guten nannten. Man sagte ihm nach, er habe noch nie einen Armen von der Schwelle gewiesen, noch nie den Kopf vor einem starken Mann gebeugt, noch nie das Schwert ohne Grund gezogen und noch nie einen Frieden abgelehnt, wenn man ihn anbot. Er war sechzig Jahre alt, aber das Alter hatte wenige Spuren auf ihm hinterlassen, sah man ab von seinem langen, weißen Bart. Er hatte scharfe Augen und war von Gestalt und Gesicht her wohlgeformt, ein großer Krieger und der stärkste aller Männer. Seine Frau war gestorben, ohne ihm Kinder zu hinterlassen, und dies hatte ihn mit Leid erfüllt; doch er hatte sich bislang noch keine andere zur Frau genommen, denn seine Wahlsprüche waren: »Die Liebe macht einen alten Mann blind«, »Wenn die Alten mit den Jungen laufen, werden beide stürzen« und »Tu graues und blondes Haar zusammen und verderbe zwei Köpfe«. Denn dieser Graf war ein Mann mit vielen weisen Sprüchen.
    Nun kam Atli zum Middalhof, gerade als die Männer sich zur Fleischtafel setzten und alle aufsprangen, als sie das Klappern der Waffen hörten, weil sie glaubten, Ospakar sei vielleicht zurückgekommen, wie er es versprochen hatte. Aber als Asmund Atli sah, erkannte er ihn sogleich, obwohl sie sich seit fast dreißig Jahren nicht mehr gesehen hatten. Er begrüßte ihn herzlich, setzte ihn auf den Hohesitz und verschaffte seinen Männern auf den Querbänken Platz. Atli erzählte allen seine Geschichte, und Asmund bat ihn, eine Weile auf Middalhof zu rasten, bis sich das Wetter aufgeklärt hatte.
    Nun sah der Graf Swanhild und hielt sie für überaus schön, und dies war sie ja auch, als sie in ihrem weißen Kleid verächtlich auf und ab schritt. Sanft wellte sich ihr lockiges Haar, und tief waren ihre dunkelblauen Augen. Ihre roten Lippen waren wie ein Bogen über dem Kinn mit dem kleinen Grübchen geschwungen, und ihre Zähne strahlten wie Perlen.
    »Ist diese schöne Maid deine Tochter, Asmund?« fragte Atli.
    »Sie heißt Swanhild die Vaterlose«, antwortete Asmund und wandte das Gesicht ab.
    »Nun«, sagte Atli und sah ihn scharf an, »wäre die Maid von mir, würde sie nicht länger den Namen ›Vaterlose‹ tragen, denn nur wenige haben solch eine Tochter.«
    »Sie ist schön genug«, sagte Asmund, »in allen Dingen, bis auf die Gesinnung, und das ist ein schweres Kreuz.«
    »Jedes Schwert hat einen Makel«, gab Atli zurück, »aber was hat ein alter Mann mit jungen Mädchen und ihrer Schönheit zu tun?« Und er seufzte.
    »Ich habe jüngere Männer gekannt, die als Brautwerber nicht so stattlich gewirkt hätten«, sagte Asmund, und für diesmal sprachen sie nicht länger über diese Sache.
    Nun hatte Swanhild etwas von dieser Unterhaltung gehört, und sie reimte sich noch mehr zusammen. Es kam ihr in den Sinn, daß es der beste Zeitvertreib sei, das Feuer in diesem alten Mann zu entfachen, um ihn dann zu verspotten und zurückzuweisen. So machte sie sich an die Aufgabe, wie es schon immer ihre Art gewesen war, und sie hatte leichtes Spiel. Denn den ganzen Tag lang bediente sie den Grafen mit niedergeschlagenen Augen und sanftem Blick, und dann sang sie ihm auf seine Bitte mit leiser, süßer Stimme vor, und dann sprach sie so gut und klug, daß Atli glaubte, nie zuvor habe die Erde ein derart weises Mädchen gesehen. Aber er hielt sich mit vielen weisen Sprüchen im Zaum, und eines Tages, als das Wetter wieder schön geworden war und sie zusammensaßen, sagte er, daß er mit dem Schiff bald zu den Orkney-Inseln aufbrechen werde.
    Und wie durch Zufall legte Swanhild ihre weiße Hand in die seine, sah ihm tief in die Augen und sagte mit zitternden Lippen: »Ah, geh noch nicht, Herr! – Ich bitte dich, geh noch nicht!« Und sie wandte sich um und lief davon.
    Aber Atli war tiefbewegt, und er sagte sich: »Nun ist ein seltsam Ding geschehen: Ein hübsches Mädchen liebt einen alten Mann; und doch, mich deucht, wer in diese Augen blickt, sieht tiefe Wasser.« Und er runzelte

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