Erik der Wikinger
die sie gesammelt hatte, und goß Wasser hinzu. Sofort fingen sie an zu kochen, und während sie garten, rührte sie sie mit einem Stock um, dessen Rinde sie abgeschält hatte. Dabei murmelte sie Bannsprüche. Lange saß sie an diesem düsteren und einsamen Ort, rührte das Gebräu und brachte Bannsprüche hervor, bis es schließlich fertig war.
Sie hob den Topf vom Feuer und roch daran. Dann holte sie ein Fläschchen aus ihrem Umhang, goß die Flüssigkeit hinein und hielt sie ins Licht. Das Hexenwasser war weiß wie Milch, wurde aber augenblicklich klar. Sie betrachtete es und lächelte böse.
»Hier ist ein Liebestrank für eine Königin – ah, ein Liebestrank für eine Königin!« sagte sie und steckte das Fläschchen immer noch lächelnd in ihren Ausschnitt.
Nachdem Groa das Feuer ausgetreten hatte, nahm sie den Topf, warf ihn in einen tiefen Teich, wo er nicht so leicht gefunden werden konnte, und schlich zum Haus zurück, bevor die Männer erwachten.
Nun ging der Tag allmählich zu Ende, und es hatte sich eine Gesellschaft von fast zweihundert Gästen zum Hochzeitsfest versammelt. Unna saß auf dem Hohesitz, und die Männer hielten sie für eine hübsche Braut, und neben ihr saß Asmund der Priester. Er war ein rüstiger, starker Mann, obwohl er fast schon sechzig Winter gesehen hatte; aber seine Miene war traurig, und sein Herz schwer. Er trank Becher um Becher, um sich aufzuheitern, aber ohne Erfolg. Denn seine Gedanken eilten durch die Jahre zurück, und noch einmal schien er das Gesicht von Gudruda der Sanften zu sehen, als sie im Sterben lag, und ihre Stimme zu hören, die ihm Böses voraussagte, wenn er sich mit Groa dem Hexenweib einließe. Und nun schien es ihm, daß dieses Böse auf der Lauer lag, wenngleich er noch nicht wußte, woher es kommen würde. Er schaute auf. Dort ging Groa durch die Halle und bediente die Gäste; aber er sah, daß ihre Blicke – obwohl sie sich bewegte – stets auf ihm oder Unna ruhten. Er erinnerte sich auch an Groas Fluch, als er ihr erzählt hatte, er werde Unna heiraten, und ihm wurde vor Furcht ganz kalt ums Herz. »Ich werde meine Entscheidung aufheben«, sagte sich Asmund: »Groa wird nicht länger an diesem Ort bleiben, denn ich will ihr finsteres Gesicht nicht mehr sehen. Morgen wird sie gehen.«
Nicht weit von Asmund saß Björn. Als Gudruda die Schöne, seine Schwester, ihm Met brachte, faßte er ihren Arm und flüsterte ihr ins Ohr: »Mich deucht, unser Vater ist traurig. Was lastet auf seinem Herzen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Gudruda, doch als sie sprach, sah sie zuerst Asmund und dann Groa an.
»Es ist schlecht, daß Groa hierbleibt«, flüsterte Björn.
»Es ist schlecht«, gab Gudruda zurück und glitt davon.
Asmund sah, daß sie sich unterhielten. Er konnte sich den Inhalt ihres Gesprächs denken. Laut lachend erhob er sich und rief Koll dem Halbgescheiten zu, die Becher zu füllen, damit er die Trinksprüche vorbringen könne.
Koll füllte die Becher. Er reichte sie Asmund, der einen Trinkspruch nach dem anderen ausbrachte. Asmund trank aus jedem einen großen Schluck, bis schließlich das Leid von ihm abfiel und er genauso fröhlich wurde wie die anderen, die dort saßen.
Als letzter kam der Trinkspruch auf den Becher der Braut. Doch bevor Asmund ihn ausbrachte, näherten sich die Frauen des Haushalts dem Hohesitz, um Unna willkommen zu heißen, wenn sie trank. Gudruda stand vorn, und Groa direkt hinter ihr.
Koll füllte wie zuvor den Becher; es war ein großer aus Gold, den er füllte.
Asmund stand auf, um den Trinkspruch auszubringen, und mit ihm erhoben sich alle, die in der Halle waren. Koll brachte den Becher, aber er gab ihn nicht Asmund, sondern Groa. Dies fiel nur wenigen auf, denn alle lauschten Asmunds Trinkspruch, und die meisten Gäste waren schon betrunken.
»Der Becher«, rief Asmund, »gib mir den Becher, damit ich trinken kann.«
Da ging Groa nach vorn, und dabei schien sie zu stolpern, so daß der große Brautbecher einen Moment von ihrem Umhang bedeckt war. Dann faßte sie sich langsam wieder und reichte den Becher lächelnd weiter.
Asmund hob ihn an die Lippen und trank. Dann wandte er sich um und gab ihn seiner Frau Unna, doch bevor sie trinken konnte, küßte er sie auf die Lippen.
Während die Männer sie nun so lauthals willkommen hießen, daß die Halle erzitterte, und während Unna lächelnd aus dem Becher trank, fiel Asmunds Blick auf die neben ihm stehende Groa, und siehe da, ihre Augen schienen zu
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