Erik der Wikinger
auf eine Stange gespießt.
An der Männertür der Halle wartete schon eine Frau auf ihn. Sie sagte ihm, die Herrin Swanhild wolle in ihren Gemächern mit ihm sprechen. Dorthin ging er und klopfte an. Als er keine Antwort bekam, klopfte er noch einmal an und trat dann ein.
Swanhild saß auf einer Liegestatt. Sie weinte, und das Haar fiel ihr ums Gesicht.
»Was ist denn Swanhild?« fragte er.
Sie sah schwermütig auf. »Schlechte Nachrichten für dich und mich, Erik. Koll, der meiner Mutter Leibeigener war, ist von Island gekommen, und dies sind seine Nachrichten: Asmund ist tot, und Unna, deine Base, Thorod von Grünbergs Tochter, ist tot, und meine Mutter Groa ist auch tot.«
»Wahrlich, schlechte Nachrichten!« sagte Erik. »Und was ist mit Gudruda, ist sie auch tot?«
»Nein, Erik, sie ist verheiratet – mit Ospakar!«
Nun taumelte Erik gegen die Wand und hielt sich daran fest. Für eine Weile verschwammen alle Dinge in seiner Umgebung. »Wo ist dieser Koll?« keuchte er. »Schickt mir Koll hierher!«
Er kam sofort, und Erik befragte ihn kalt und ruhig. Aber Koll war ein guter Lügner. In seinen Tagen hieß es, auf ganz Island gäbe es keinen, der so gut lügen konnte wie Koll der Halbgescheite. Er berichtete Erik, daß man sich erzählt hatte, Gudruda sei Ospakar versprochen worden, und daß man diese Vereinbarung im letzten Sommer auf dem Althing ausgehandelt habe (und in der Tat hatte es Gerüchte darüber gegeben). Das Fest habe am vergangenen Jultag auf Middalhof abgehalten werden sollen.
»Sind das all deine Nachrichten?« fragte Erik. »Dann schenke ich ihnen keine Bedeutung, denn ich habe dich schon immer als Lügner gekannt, Koll!«
»Nein, Erik, es ist nicht alles«, gab Koll zurück. »Wie der Zufall es wollte, begegnete ich zwei Tage vor dem Auslaufen des Schiffes, auf dem ich fuhr, Gudruda der Schönen. Sie fragte mich, wohin ich ginge, und ich sagte, ich würde nach London reisen, dem Ort, von dem es hieß, du wärest dort. Und ich fragte sie, ob sie mir eine Botschaft mit auf den Weg geben wolle. Da stieg sie von ihrem Pferd Schwarzmähne ab und unterhielt sich abseits von den anderen mit mir. ›Koll‹, sagte sie, ›es kann durchaus geschehen, daß du in der Stadt London Erik Hellauge treffen wirst. Nun, wenn du ihn triffst, dann trage ich dir auf, ihm dies zu sagen: Sag ihm, daß mein Vater tot ist und daß mein Bruder Björn, der an seiner Stelle herrscht, ein hartherziger Mann ist, der mich so lange gedrängt hat, Ospakar zu heiraten, bis ich schließlich keine andere Wahl mehr hatte und zustimmen mußte.‹ Und sage Erik, daß ich tief und aufrichtig betrübt bin und daß ich, obwohl wir uns vielleicht nie mehr sehen werden, sein Andenken stets hochhalten werde.«
»Es sieht Gudruda nicht ähnlich, so zu sprechen«, sagte Erik. »Sie hatte stets ein festes Herz, und dies sind feige Worte. Koll, ich spüre, daß du lügst. Und wenn ich es wirklich herausfinden sollte, werde ich dir den Kopf vom Rumpf trennen!«
»Nein, Erik, ich lüge nicht. Warum sollte ich lügen? Du hast meine Geschichte noch nicht ganz gehört. Als die Herrin Gudruda zu Ende gesprochen hatte, zog sie etwas aus ihrem Ausschnitt und gab es mir mit den Worten: ›Gib dies Erik als Beweis meiner Worte.‹«
»Zeig mir das Pfand«, sagte Erik.
Nun hatte es sich vor vielen Jahren, als sie noch Junge und Mädchen gewesen waren, zugetragen, daß Erik Gudruda die Hälfte einer uralten Goldmünze geschenkt hatte, die er an der Küste gefunden hatte. Er hatte ihr eine Hälfte gegeben, und die andere hatte er behalten und am Herzen getragen. Aber er wußte nicht – denn sie hatte sich gefürchtet, es ihm zu sagen –, daß Gudruda ihre Hälfte verloren hatte. Sie hatte sie eigentlich nicht verloren, denn Swanhild hatte das Liebespfand gestohlen und versteckt. Nun brachte sie es wieder zum Vorschein, damit Koll seine Lügen damit aufbauen konnte.
Koll zog die halbe Münze aus einer Lederbörse und gab sie ihm. Erik faßte sich an die Brust und fand seine Hälfte. Unter Swanhilds aufmerksamen Blicken fügte er die beiden aneinander, und siehe da, sie paßten.
Da lachte Erik laut auf, ein hartes, bitteres Lachen. »Es wird Tote geben«, rief er, »bevor diese Geschichte ganz erzählt ist. Nimm deinen Lohn und verschwinde, du Bote des Unheils.« Und er warf Koll das gebrochene Goldstück zu. »Einmal hast du die Wahrheit gesprochen.«
Koll bückte sich, hob die Münze auf und ging, ließ Hellauge und Swanhild allein
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