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Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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glaubte oder nicht, konnte sie nicht erkennen. Aber er riss ihr die Ringe ab, die sie an den Fingern trug, und warf sie in den Sack. Dann schlug er sie erneut, bis ihr schwarz vor Augen wurde.

69
     
    Als sie zu sich kam, saß Carlos da und schaute sie an. Er schaukelte vor und zurück, wie er es immer machte, wenn er Angst hatte oder sich verlassen fühlte. O’Neill war weg. Ana hatte das Gefühl, nicht besonders lange bewusstlos gewesen zu sein. Das offene Fenster zur oberen Veranda zeigte den Weg, auf dem O’Neill verschwunden war, vielleicht auch, wie er hereingekommen war. Sie ging hinaus und sah, dass die beiden Wächter gähnend und schlaftrunken an ihren erloschenen Feuern saßen. Hätte sie eine Waffe gehabt, hätte sie sie erschossen, dachte sie. Zumindest wäre die Versuchung groß gewesen. Aber schließlich hätte sie doch die Pistole in den Nachthimmel gerichtet. Sie würde niemanden töten. Sie war ein schmutziger Engel, aber keine Mörderin.
    Sie setzte sich aufs Bett und befeuchtete Carlos’ Wunden. Niemand würde mir glauben, wenn ich davon erzählte, dachte sie. Davon, dass ich auf dem Bett sitze, nach einem Überfall, die blutende Schläfe eines Affen befeuchtend. Aber ich werde nichts erzählen, niemandem.
    Früh am Morgen verließ sie das Haus und fuhr hinunter zur Festung. Julietta und Anaka hatten mit Entsetzen die Unordnung im Schlafzimmer gesehen, die zerrissenen Laken, die Blutflecken, den zersplitterten Spiegel. Aber Ana hatte nur erklärt, Carlos habe Albträume gehabt und sich selbst Schaden zugefügt. Dass sie selbst eine Schwellung an der einen Wange hatte, mochte sie nicht kommentieren.
    Da sie früh an der Festung eintraf, war Sullivan noch nicht mit seiner Pfeife in der Hand auf die Treppe getreten. Vielleicht hielt er sich noch in seiner Wohnung auf, über die er in den oberen Teilen der Stadt verfügte, wo die Garnison ihr Quartier hatte. Ana tat einen tiefen Atemzug und begab sich zum Eingang der Kerker. Der Wächter am Tor wollte sie zuerst nicht einlassen. Er war unruhig, da er entdeckt hatte, dass das Schloss des Gitters in der Nacht geöffnet worden war, als er und ein anderer Soldat Wache hielten. Aber Ana befahl ihm, zur Seite zu gehen, und stieß ihn aus dem Weg.
    Isabel lag tot auf dem Steinboden neben der Pritsche. Ana hatte das Gefühl, sie hätte mit ihren letzten Kräften versucht, sich aufzurichten, da sie nicht liegend sterben wollte. Aber sie hatte es nicht geschafft. O’Neill hatte ihren Körper in eine blutige Masse von Haut, Gedanken und Erinnerungen verwandelt, von Narben nach der Geburt ihrer Kinder, der Liebe zu Pedro; alles, was sie zu dem Menschen gemacht hatte, der sie war. O’Neill hatte sie nicht nur mit dem scharfen Messer erstochen, er hatte sie auch zerfetzt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. In ihrer Verzweiflung dachte Ana, O’Neill müsse grenzenlos sein in seinem Hass auf die schwarzen Menschen, die sich nicht einmal im Gefängnis unterwarfen.
    Mühsam hob Ana Isabel hoch und legte sie auf die Pritsche. Sie breitete die Decke über ihr aus, die sie nie benutzt hatte, auch nicht in den kältesten Nächten. Jedes Mal, wenn sie den Körper berührte, wurde sie an die Kälte erinnert, die sie als Kind umgeben hatte. Die tote Isabel verwandelte den unterirdischen Raum in eine Landschaft, in der sie gelebt hatte, frierend, sich nach Wärme vom Feuer oder von der Sonne sehnend, die so selten die Wolken durchdrang. Sie sah Isabel an und erinnerte sich an all das, was vor kurzem so weit weg gewesen, jetzt aber zurückgekehrt war. Welche Frau ist es eigentlich, von der ich mich verabschiede?, dachte sie. Ist es Isabel, oder bin ich es selbst? Oder sind es wir beide?
    Ein Soldat kam in die Zelle und meldete, der Kommandant erwarte sie. Er stand an seinem Schreibtisch, als sie hereinkam. Als er fragte, warum sie ihren Besuch so zeitig mache, merkte Ana, dass er nicht wusste, was in der Nacht geschehen war.
    Das gab ihr unerwartet die Oberhand, und sie zögerte nicht, ihre Chance zu nutzen. »Kommen Sie mit«, sagte sie. »Ich habe Ihnen etwas zu zeigen.«
    »Vielleicht können wir erst den letzten Teil unserer Übereinkunft bestätigen?«
    »Es gibt keine mehr.«
    Ana drehte sich um und verließ das Zimmer. Sullivan eilte ihr nach und holte sie auf dem Hof ein. Ana spürte, dass sich das Gerücht bereits unter den Soldaten verbreitet hatte. Sullivan betrat die Zelle. Ana schlug die Decke über Isabels gemartertem Körper zurück. Er schaute mit

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