Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
würde in diesem Zimmer sterben, erstochen von einem Mann, den sie selbst für eine Probezeit angestellt hatte, ohne zu wissen, dass sie damit einen Mörder an sich herangelassen hatte. Sie würde in ihrem Schlafzimmer sterben, in dem sie ihre Zeit als Witwe verbracht hatte, und sie würde zusammen mit dem sonderbaren Affen sterben, der weißgekleidet als Kellner in einem Bordell herumgegangen war.
Aber konnte das, was O’Neill erzählte, wirklich wahr sein? Sie sah ihn an und dachte plötzlich, sie sei in eine Falle getappt. Sie hatte den Abgrund nicht bemerkt, der sie zu verschlingen drohte.
»Warum hast du sie getötet? Und warum sollte ich dir glauben?«
»Weil niemand außer mir das zu tun vermochte, was richtig war, nämlich ihr das Leben zu nehmen.«
»Wie konntest du in ihre Zelle kommen? Zweimal sogar?«
»Natürlich hat mir jemand Zutritt verschafft. Türen offen gelassen. Aber wer, das werde ich nicht verraten.«
»War es der Kommandant? Sullivan?«
O’Neill machte plötzlich einen Ausfall mit dem Messer. Als er sich bewegte, trat er auf Carlos, der aufwimmerte.
»Es war nicht Sullivan. Aber alle anderen Fragen werden unbeantwortet bleiben.«
Er nahm einen grauen Jutesack, der neben ihm auf dem Boden lag. »Fülle ihn mit deinem Geld!«
»Das kann ich nicht.«
Etwas an ihrer Stimme ließ ihn zögern, so dass er sein Anliegen nicht sofort mit verstärkter Bedrohlichkeit wiederholte. »Warum nicht?«
»Weil mein Geld sich im Büro des Kommandanten befindet, drinnen in der Festung.«
Sie sah, dass er nervös zwischen Unsicherheit und Wut zu pendeln begann. Der Sack hing in seiner Hand.
»Warum hat er das Geld? Niemand wusste, dass ich heute Nacht hierherkommen wollte.«
»Ich habe ihm das Geld als Bestechung überlassen«, antwortete Ana. »Damit er mich Isabel holen und dafür sorgen lassen würde, dass sie aus der Stadt flieht. Heute Morgen sollte ich mit dem letzten Teil kommen.«
»Es gibt also mehr hier im Haus?«
»Kein Geld mehr. Die weitere Bezahlung sollte auf andere Weise erfolgen.«
»Wie? Womit?«
»Mit mir selbst.«
O’Neill rührte sich nicht. Sie sah seine Verwirrung. Er verstand nicht, was sie meinte. Seine Unsicherheit gab ihr trotz seines Messers die Oberhand.
»Ich habe versprochen, seine Hure zu sein. Wer würde einer liederlichen Bordellwirtin glauben, wenn sie hinterher versuchen würde zu erklären, was wirklich geschehen ist?«
Endlich verstand O’Neill, was Ana meinte. Es konnte keine Lüge sein, die sie sich nur ausgedacht hatte. Er riss sie vom Bett hoch, legte ihr die Hand um die Kehle und schüttelte heftig den Sack. »Alles, was du hast«, sagte er. »Wirklich alles. Und du wirst niemandem je erzählen, dass ich es war, der hergekommen ist.«
»Die Leute werden es trotzdem wissen.«
»Nicht, wenn du nichts sagst.«
Er stieß sie von sich, und sie fiel auf den Steinboden, das Gesicht nah an Carlos, der immer noch mit gequälten Atemzügen nach Luft schnappte.
Gerade als sie aufstehen wollte, öffnete Carlos ein Auge und sah sie an.
Ana stand auf und begann, das restliche Geld einzusammeln, das sie noch im Haus hatte. Zwei hohe Porzellanurnen, mit orientalischen Nymphen dekoriert, hatte sie mit Geld gefüllt, das dafür bestimmt war, den Verdienstausfall der Frauen auszugleichen. Sie stopfte alles in den Sack, während O’Neill sie drängte, sich zu beeilen. Auf dem Boden der Kleiderkammer hatte sie zwei Lederkoffer von Senhor Vaz mit Geld, das für ihre Reise gedacht war, wohin auch immer sie sich begeben würde. Das Geld, das sie erhalten würde, wenn sie ihr Haus und das Bordell verkaufte, würde sie denen geben, die dort arbeiteten. Sie selbst würde nichts davon behalten.
Als sie den letzten Koffer geleert hatte, war der Sack nicht mehr als halbvoll. Zusammen mit dem Geld im Büro des Kommandanten hätte es zwei, vielleicht drei Säcke gebraucht.
»Das ist alles«, sagte sie. »Wenn du mehr willst, musst du dich an Sullivan wenden.«
Er schlug sie hart vor Enttäuschung. Tief drinnen in dem Schmerz, den der Schlag verursacht hatte, regte sich die Frage, wie ihr O’Neills Brutalität hatte entgehen können. Wie hatte sie einen Mann als Wächter anstellen wollen, der schlimmer war als ihre schlimmsten Kunden?
»Es muss mehr geben«, drohte er, das Gesicht so nah an der schmerzenden Wange, dass sie die Bartstoppeln auf der Haut spürte.
»Wenn du willst, kann ich auf eine Bibel oder bei meiner Ehre schwören. Es gibt nicht mehr.«
Ob er ihr
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