Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Sie zu wenig Geld bringen. Dann verkaufe ich an einen anderen Interessenten. Ein Anwalt wird einen Vertrag aufgesetzt haben. Ich möchte das Geschäft sofort abschließen.«
Sie wartete die Antwort nicht ab, stand auf und verließ die Kathedrale. Jetzt bin ich es, die die Unterwelt verlässt, dachte sie. Aber im Gegensatz zu Isabel bin ich noch am Leben.
Tags darauf setzte Andrade zwei Verträge auf. Der eine betraf den Verkauf ihres Hauses, für das er viertausend englische Pfund einsetzte, einschließlich aller Möbel. Er versprach, die Dienstboten mindestens ein Jahr lang zu beschäftigen und danach für Anakas und Juliettas Pension aufzukommen.
Der andere Vertrag galt der Übertragung des Bordellbetriebs auf Senhor Nunez. Zu seinem Erstaunen bat Ana, eine Zeile leer zu lassen, in die die Verkaufssumme eingetragen werden sollte. Sie ließ auch nichts davon erwähnen, dass das Bordell in ein Kinderheim umgewandelt werden sollte.
Um drei Uhr nachmittags kam Nunez. Er bot ihr viertausend Pfund für das Unternehmen. Ana sagte, sie erwarte fünftausend, da sie überzeugt war, diese Summe habe er in seiner dicken Ledermappe bei sich. Nunez lächelte und stimmte der Übereinkunft zu. In weniger als einer Stunde waren sowohl die Übertragungsurkunde als auch der Verkauf abgeschlossen.
»In vier Tagen können Sie alles übernehmen. Bis dahin haben Sie keinen Zutritt zu dem Etablissement. Außerdem herrscht Schweigepflicht über dieses Geschäft, bis ich mit den Frauen gesprochen habe, die dort arbeiten. Woher haben Sie so viel Geld?«
Nunez schüttelte lächelnd den Kopf. »Es gehört nicht zu unserer Abmachung, dass ich den Ursprung meiner Einkünfte offenlege.«
»Elefantenzähne? Löwenfelle? Heimliche Diamantenminen, die keiner kennt?«
»Ich werde diese Fragen nicht beantworten.«
»Solange Sie kein Sklavenhändler sind.«
»Was geschieht mit dem Affen?«, fragte Nunez und zeigte auf Carlos, der auf dem hohen Schrank saß. »Gehört er als nicht spezifizierter Teil zu unserer Abmachung?«
»Er wird mich begleiten«, sagte Ana. »Für seine Zukunft trage ich die Verantwortung. Ich hoffe, Sie haben auch bemerkt, dass ich nicht verlangt habe, das Bordell in ein Kinderheim zu verwandeln. Warum sollte ich etwas verlangen, was Sie nicht beabsichtigen? Jetzt bitte ich Sie zu gehen. Wir haben unser Geschäft abgeschlossen und brauchen nicht mehr miteinander zu reden.«
Nunez betrachtete sie. Er wirkte plötzlich traurig. »Ich verstehe nicht, warum Sie mir misstrauen. Genau wie Sie bin ich empört über die Art, wie wir die Schwarzen behandeln. Ich bin vielleicht nicht durch und durch gut, aber ich verabscheue die Verachtung, die wir diesen Menschen gegenüber zeigen. Zu glauben, dies könne immer so weitergehen, ist Wahnsinn, Einbildung und Dummheit.«
Nunez stand auf. »Sie sind vielleicht nicht so einsam, wie Sie glauben«, sagte er. »Ich teile Ihren Abscheu.«
Er verbeugte sich und verabschiedete sich. Sie dachte über das nach, was er gesagt hatte. Vielleicht hatte sie sich getäuscht, was ihn betraf.
Als sie allein zurückgeblieben war, schaute sie auf die Vertragsurkunden und die Bündel von Geldscheinen. Einst war sie mit nichts nach Afrika gekommen. Jetzt war sie sehr reich.
Über ihre Zukunft wusste sie nur, dass sie nach Beira fahren würde, um Isabels Eltern zu suchen. Was danach geschehen würde, war für sie etwas Unbekanntes, vielleicht auch etwas, was sie fürchtete. Aber bevor sie abreiste, musste sie ein letztes Gespräch mit den Frauen im Bordell führen und außerdem für Carlos’ Zukunft sorgen.
Zusammen saßen sie und Carlos an diesem Abend, zum zweiten Mal in ihrem gemeinsamen Leben, und zählten das Geld, das sich in gewaltigen Bündeln auf Tischen und Stühlen gehäuft hatte.
72
Am Morgen nahm Ana behutsam die Fotografie ihrer Trauung in Alger zur Hand. Es waren nur achtzehn Monate vergangen, aber es war wie ein Bild aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit, in der alles noch einen Zusammenhang hatte und sie dem kommenden Tag erwartungsvoll entgegensah. Jetzt dachte sie an all die Dunkelheit, die sich um sie her verdichtete. Sie hatte einen langen Weg zu gehen, und sie wusste nicht, wohin er sie führen würde. Sie war auf sich allein gestellt. Das, was sie empfunden hatte, als sie das Haus am Fluss in Forsmans Schlitten verließ, war nicht das Ende einer großen Gemeinschaft gewesen. Da hatte sie Forsmans breiten Rücken vor sich gehabt. Im Gegensatz zu der absoluten
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