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Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zweimal im Jahr kam ein blinder Mann und stimmte das Instrument. Dann musste es still im Haus sein. Der Klavierstimmer kam immer dann, wenn Forsman von einer seiner zahlreichen Geschäftsreisen mit dem Schlitten oder dem Wagen heimgekehrt war. Während der blinde Mann sich mit seiner Stimmgabel in der Hand vorbeugte, saß Forsman auf einem Stuhl und lauschte andächtig. Das perfekt gestimmte Klavier bedeutete für ihn vollkommene Harmonie.
    Der Klavierstimmer im Bordell stimmte Tasten tief unten im Bass. Dass er mit dem Stimmen fortfuhr, gab ihr Hoffnung, eine unerwartete Kraft. Niemand stimmt ein Klavier, wenn jemand sterben muss, dachte sie. Dann ist es entweder still, oder jemand spielt etwas, was lindert oder tröstet und dann in Trauermusik übergeht.
    Sie erinnerte sich an einen Gedanken in Forsmans Haus, als der Klavierstimmer da war und Forsman zusammengesunken auf einem Stuhl saß und die Harmonie genoss, die wiederhergestellt wurde: Was ist es, was er sieht, hatte sie sich plötzlich gefragt. Was ist es, was der Blinde sieht? Bestimmt ist es mehr als ein tiefes Schwarz. Etwas, zu dem ich keinen Zugang habe.
    Hanna spürte, dass sie todmüde war. Felicia begleitete sie zurück ins Zimmer. Jemand hatte ihre Laken gewechselt, während sie fort war. Ihre blutige Unterwäsche lag jetzt frisch gewaschen auf dem Bett.
    Bevor Felicia ging, fragte sie: »Was soll ich Senhor Vaz sagen?«
    »Dass die weiße Frau immer noch blutet. Nicht sehr stark. Aber sie braucht weiter Ruhe.«
    Felicia nickte. »Ich verspreche auch, dir nicht Carlos mit dem Tee zu schicken. Laurinda soll dich bedienen.«
    Als Felicia das Zimmer verlassen hatte, begann Hanna still zu weinen. Nicht, weil sie fürchtete, jemand könne sie hören. Sondern weil sie ihren Körper nicht noch einmal so erschrecken wollte, dass er wieder zu bluten begann.

27
     
    Die Huren logen. Wie die anderen Schwarzen auch.
    Als Attimilio Vaz sich Hanna vorgestellt hatte, eine Woche nachdem sie sein Hotel bezogen und sich so weit von der Fehlgeburt erholt hatte, dass sie ihr Zimmer ohne Hilfe verlassen und zum Essen ins Erdgeschoss gehen konnte, war das einer der ersten Sätze, die er zu ihr sagte.
    »Glauben Sie nicht alles, was sie sagen. Glauben Sie am besten gar nichts. Die schwarzen Menschen hier kennen nichts als die Lüge.«
    Für Hanna war das verwirrend. Dass Felicia, die ihr erzählt hatte, was geschehen war und sich um sie gekümmert hatte, gelogen haben sollte, konnte sie ganz einfach nicht glauben.
    Freilich war es ihr manchmal schwergefallen, Felicias eigentümlichen Bericht zu deuten. Aber wenn sie auch längst nicht jedes Wort verstanden hatte, so hatte sie doch nie an eine Lüge gedacht.
    An dem Tag, an dem Attimilio Vaz beschlossen hatte, sich seinem Gast vorzustellen, hatte er langsam gesprochen und sich bemüht, möglichst einfache Sätze zu bilden.
    Senhor Vaz war in Portugal geboren. Aber er hatte auch in Schweden und Dänemark gelebt, zuletzt in einer Stadt, die vielleicht Odense hieß. Er hatte mit portugiesischen Anchovis gehandelt, was nicht ganz unkompliziert gewesen war, jedoch hatte er selbst sich nichts zuschulden kommen lassen. Attimilio Vaz beschrieb sich als ehrlichen und redlichen Menschen, der leider oft missverstanden werde. Selbst wenn er Schweden in größter Eile habe verlassen müssen, nachdem man ihn betrügerischer Geschäfte bezichtigt hatte, habe er eine Erinnerung an ein entzückendes Land mit entzückenden Menschen, und jetzt sei er froh, in seinem einfachen, aber absolut reinlichen Etablissement eine Schwedin zu Besuch zu haben.
    Ein paar Tage später, als Hanna sich stark genug fühlte, um zum ersten Mal seit ihrer Ankunft auszugehen, hatte er sie am Abend zum Essen in ein Restaurant eingeladen, das in derselben Straße lag wie O Paraiso .
    Als sie in Begleitung ihres Gastgebers auf den Gehsteig trat, begann die Erde unter ihren Füßen zu schwanken. Sie hatte das Gefühl, wieder auf einem Schiffsdeck zu stehen. Hanna hielt sich an der Hauswand fest. Senhor Vaz sah sie bekümmert an und fragte, ob sie in ihr Zimmer zurückkehren wolle. Sie schüttelte den Kopf. Als er ihren Arm ergriff, ließ sie ihn gewähren und wunderte sich über sich selbst. Jetzt ging sie also in einer afrikanischen Stadt umher, und ein fremder Mann, ein portugiesischer Bordellbesitzer, geleitete sie in ein Restaurant.
    Es war kein Traum. Aber sie befand sich in einer Welt, der sie nicht angehörte.
    Lundmark war größer gewesen als sie. Senhor Vaz

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