Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
alle anderen Unternehmen im Lande. Es bleibt mir nur zu gratulieren.«
Er schob ihr die Papiere zur Einsicht hin. Das bürokratische Portugiesisch und die schwer zu lesende Handschrift ließen sie eher ahnen als begreifen, was da geschrieben stand. Aber die Zahlenkolonnen waren klar und deutlich. Im Kopf rechnete sie rasch aus, dass sie in schwedischen Kronen eine gigantische Summe an Steuern zahlte.
Der Gedanke war schwindelerregend. Zum ersten Mal wurde ihr im vollen Ausmaß klar, dass sie durch ihre Heirat mit Senhor Vaz nicht nur wohlhabend geworden war. Sie war steinreich. Auch wenn sie nach Schweden zurückkehren würde, wäre sie sehr vermögend.
Emanuel Roberto stand auf und verbeugte sich. »Ich lasse meine Papiere hier«, sagte er. »Wenn Senhora Vaz irgendwelche Anmerkungen hat, können diese gern innerhalb von vierzehn Tagen bei mir vorgetragen werden. Aber ich glaube versichern zu können, dass alles in bester Ordnung und wahrheitsgemäß ausgerechnet und aufgeschrieben ist.«
Er verbeugte sich nochmals und verließ das Zimmer. Hanna blieb lange sitzen. Als sie schließlich aufstand, um zu ihrem Haus auf dem Hügel zurückzukehren, nahm sie sich vor, mit allen Konsequenzen zu bedenken, was der Reichtum für ihre Zukunft bedeutete.
Als sie aus dem großen Sofazimmer trat, sah sie Felicia mit einem frühen Kunden in ihr Zimmer verschwinden.
Sie sah den Mann nur für einen kurzen Moment und nur von hinten.
Trotzdem war sie sicher: Es war Kapitän Svartman, der in das Zimmer gegangen war, dessen Tür sich jetzt geschlossen hatte.
50
Der Pfau schrie. Er stand mitten auf der leeren Straße, in Sonnenschein gehüllt, der durch eine Lücke zwischen zwei Häusern drang. Indische Kaufleute öffneten langsam, fast träge, ihre Läden im Erdgeschoss. Es war, als stünde der Pfau auf einer Bühne, von einem einzelnen Scheinwerfer angestrahlt.
Er schrie erneut und begann dann, ruhig die Samenkörner aufzupicken, die nur die Augen eines Pfaus sehen konnten.
Hanna war stehengeblieben. Dass Kapitän Svartman sich in ihrem Bordell befand, ließ sie erstarren. Sie wusste nicht, ob das, was sie empfand, Freude darüber war, einen Menschen aus ihrem früheren Leben wiederzusehen, oder ob sie fürchtete, ihm zu begegnen.
Vor allem war sie von Verwunderung erfüllt. Kapitän Svartman war für sie nie etwas anderes gewesen als der aufrechte Kapitän, dessen einzige Leidenschaft die Topfpflanzen in seiner Kajüte waren. Dass er in einem afrikanischen Hafen zu Huren ging, hätte sie sich nie vorstellen können. Vielleicht machte er seinen Besuch so früh am Morgen, um von keinem Besatzungsmitglied gesehen zu werden?
Der Gedanke an das Schiff brachte sie zum Handeln. Sie verließ das Hotel, nahm einen der schwarzen Wächter mit, die im Schatten vor der Eingangstür geschlafen hatten, und eilte hinunter zum Hafen. Die indischen Kaufleute betrachteten sie neugierig, aber immer verstohlen. Hanna wusste längst, dass fast alle sie kannten. Manchmal empfand sie eine fast beschämende Freude darüber, eine Art Berühmtheit zu sein, und wählte sorgfältig ihre Kleidung für die täglichen Ausflüge zwischen dem Steinhaus und dem Bordell.
Schon in der kurzen Zeit ihrer Ehe mit Senhor Vaz hatte sie zwei Frauen beschäftigt, die ihre Kleider nähten, und jetzt noch eine dritte Schneiderin, die nach einem langen Leben in den renommiertesten Modekreisen von Paris auf rätselhafte Weise in Afrika gelandet war. Man flüsterte von Veruntreuung, vielleicht noch Schlimmerem. Aber sie war geschickt und hatte Stil, und Hanna zögerte nicht, ihr das zu bezahlen, was sie verlangte.
Hanna war außer Atem, als sie den Hafen erreichte. An einem der äußeren Kais lag das Schiff, das sie so gut kannte. Sie blieb im Schatten eines der großen Hebekräne stehen, die kürzlich im Hafen aufgebaut worden waren. Schwarze Arbeiter, barfuß und in zerschlissenen Hosen, waren um einen weißen Vorarbeiter versammelt, der die Löscharbeiten verteilte. Hanna überkam plötzlich das Gefühl, er könnte auch ein Pfarrer sein, der den Arbeitern die Religion der Sklavenarbeit predigte.
Doch ihre Aufmerksamkeit war vor allem auf das Schiff gerichtet. Widersprüchliche Gedanken und Gefühle erfüllten sie. Da sie das gesamte Holz in Lourenço Marques abluden, nahm Hanna an, sie seien auf dem Weg zurück nach Schweden. Sie könnte auf der Stelle als zahlende Passagierin an Bord gehen, einfach alles hinter sich lassen, das Bordell verkaufen. Natürlich
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