Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
würde sie bei einem solchen Geschäft Geld verlieren, aber sie würde eine sehr reiche Frau bleiben.
    Der Anblick des Schiffes warf auch ein klareres Licht auf ihre Flucht. Was gab es eigentlich, wohin sie zurückkehren konnte? War ihr Leben nicht etwas geworden, was sie sich nie hätte erträumen können?
    Sie kehrte zum Bordell zurück, unsicherer denn je, was sie tun sollte. Als sie durch die Eingangstür ins Haus trat, überlegte sie, ob sie Kapitän Svartman ihre Anwesenheit verraten sollte. Aber sie schaffte es nicht, hinaus zur Bank unter dem Palisanderbaum zu gehen, bevor die Tür zu Felicias Zimmer sich öffnete und Kapitän Svartman ihr plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
    Zuerst schien er sie nicht wiederzuerkennen. Ein sekundenlanges Zögern. Dann wusste er es. »Du hier?«, fragte er.
    »Ich könnte dasselbe fragen«, erwiderte sie. »Kapitän Svartman hier?«
    Sie sahen einander an. Hanna dachte, sie habe eine Art Macht über ihn, da er natürlich nicht sicher sein konnte, was sie im Bordell zu tun hatte. Vermutlich dachte er das einzig Plausible, nämlich dass sie angestellt sei, um Männer gegen Bezahlung zu bedienen. Aber dieser Gedanke musste für ihn schwer vorstellbar sein.
    Hanna fand Gründe, sich gegen den bloßen Verdacht zu wehren, und schüttelte den Kopf.
    »Es ist nicht so, wie man denken könnte«, sagte sie.
    Dann forderte sie ihn mit einer Geste auf, ihr zum Palisanderbaum und der Holzbank zu folgen.
    Zé war lautlos aufgetaucht und hatte sich ans Klavier gesetzt. Er strahlte eine wortlose Sehnsucht nach Carlos aus, der vielleicht sein einziger Freund war, nachdem Senhor Vaz’ Herz zu schlagen aufgehört hatte. Vermutlich betrachtete er Hanna als ein böses Geschöpf, das ihm sowohl seinen Bruder als auch den Affen genommen hatte, zwei Lebewesen, an die er sich immer hatte halten können.
    Hanna und Kapitän Svartman tranken Tee unter dem Baum.
    »Ich frage mich, wer am meisten überrascht war?«, sagte sie. »Kapitän Svartman, mich zu sehen, oder ich, Sie zu sehen?«
    »Ich habe mich natürlich gefragt, was geschehen ist«, sagte Svartman. »Wir haben einen ganzen Tag nach dir gesucht. Dann mussten wir die Reise fortsetzen.«
    »Es war, als wäre Lundmark noch auf dem Schiff«, antwortete sie. »Ich musste fliehen. Es gab keinen anderen Ausweg.«
    Svartman nickte nachdenklich. Dann begann er zu lächeln. »Ich bin natürlich froh. Jetzt sehe ich dich lebend wieder.«
    »Eine Freundin war mit dem Besitzer dieses Bordells verheiratet«, sagte sie. »Er ist gestorben. Sie selbst ist krank. Ich kümmere mich um das Geld, das hier verdient wird. Aber ich verabscheue natürlich das Ganze und tue es nur meiner Freundin zuliebe.«
    Glaubte er ihr? Das konnte sie nicht erkennen. Der Ring an der rechten Hand konnte eine Erinnerung an die Ehe mit Lundmark sein.
    »Was ist geschehen?«, fragte Kapitän Svartman, als er über ihre Worte nachgedacht hatte. Noch immer war es, als könnte er nicht richtig glauben, dass er die entlaufene Steuermannswitwe gefunden hatte.
    »Zuerst bin ich in einem Hotel eingekehrt. Ich hatte ja Geld. Ich übernahm die Verwaltung eines Hauses für einen älteren Mann. Aber ich habe immer auf den Augenblick gewartet, in dem ich nach Hause zurückfahren könnte.«
    »Was hindert dich an diesem Entschluss?«
    »Die Trauer um Lundmark. Die Angst vor dem Meer.«
    »Ich verstehe vielleicht«, sagte Svartman zögernd.
    Da nichts von dem, was sie sagte, der Wahrheit entsprach, versuchte sie, das Thema zu wechseln. Sie kehrte zu dem Augenblick zurück, an dem sie im Schutz der Nacht das Schiff verlassen hatte.
    »Was haben Sie geglaubt, was geschehen ist?«, fragte Hanna.
    »Vielleicht, dass du ertrunken bist.«
    »Mich ertränkt habe oder ertrunken bin?«
    »Ich habe wohl beide Möglichkeiten gefürchtet. Aber es gab natürlich andere an Bord, die wildere Vermutungen anstellten. Dass du in die Hände eines Sklavenhändlers geraten wärst. Oder dass eine Schlange dich gebissen hätte, die irgendwie an Bord gelangt war, und dass du ins Wasser gefallen bist, bevor das Gift wirkte.«
    »Niemand hat also gedacht, ich hätte das Schiff freiwillig verlassen?«
    Svartman wirkte niedergeschlagen, als er antwortete. »Ich muss gestehen, dass ich mir diese Möglichkeit nicht einmal vorstellen konnte. Und ich habe ja während der vielen Jahre als Kapitän genug Seeleute in verschiedenen Häfen verschwinden sehen.«
    Sie fragte nach der Fahrt und der Heimreise. Hatten

Weitere Kostenlose Bücher