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Erinnerung an meine traurigen Huren

Erinnerung an meine traurigen Huren

Titel: Erinnerung an meine traurigen Huren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Bett, so strahlend und verändert, dass ich sie nur mit Mühe wiedererkannte.
    Sie war gewachsen, aber das war nicht an ihrer Statur abzulesen, sondern an einer tiefen Reife, die sie zwei oder drei Jahre älter und nackter denn je erscheinen ließ. Ihre hohen Wangenknochen, die Haut, gebräunt von wilder Meeressonne, die feinen Lippen und das kurze, gelockte Haar verliehen ihrem Antlitz die androgyne Ausstrahlung des Apoll von Praxiteles. Aber es gab nichts Zweideutiges an ihrer Erscheinung, denn ihre Brüste waren gewachsen, so dass sie nicht mehr in meine Hände passten, ihre Hüften hatten einen vollendeten Schwung, und ihre Glieder waren fester und harmonischer geworden. Mich entzückte dieser Erfolg der Natur, doch die Kunstgriffe störten mich: die falschen Wimpern, die perlmuttlackierten Finger- und Fußnägel und ein billiges Parfüm, das mit der Liebe nichts zu schaffen hatte. Um den Verstand brachte mich aber das Vermögen, das sie auf dem Leib trug: goldene Ohrringe mit Smaragdsplittern, eine Kette aus Naturperlen, ein goldenes Armband mit glitzernden Diamanten und an allen Fingern Ringe mit Edelsteinen. Auf dem Stuhl hing ihr paillettenbesticktes Kleid einer Nachtschwalbe, daneben standen die Seidenpantöffelchen. Ein seltsamer Dampf stieg mir in den Eingeweiden hoch:
    »Du Hure!«, schrie ich.
    Denn der Teufel gab mir einen unseligen Gedanken ein. Und zwar: In der Nacht des Verbrechens hatte Rosa Cabarcas vermutlich weder Zeit noch Ruhe gehabt, das Mädchen zu warnen, so dass die Polizei es in dem Zimmer gefunden hatte, allein, minderjährig und ohne Alibi. Mit einer solchen Situation konnte nur Rosa Cabarcas dermaßen gewieft umgehen: Sie verkaufte die Unschuld der Kleinen einem ihrer großen Bosse, damit sie selbst unbeschadet aus dem Verbrechen herauskam. Als Erstes, klar, galt es zu verschwinden, bis der Skandal abgeebbt war. Wie wunderbar! Ein Honigmond für drei, die beiden im Bett und Rosa Cabarcas auf einer Luxusterrasse, ihre glückliche Straflösigkeit genießend. Blind vor sinnloser Wut schmetterte ich alles, was im Zimmer war, gegen die Wand: die Lampen, das Radio, den Ventilator, die Spiegel, die Krüge, die Gläser. Ich tat es ohne Eile, doch ohne Pausen, mit großem Getöse und gleichsam systematisch in einem Rausch, der mir das Leben rettete. Die Kleine schreckte beim ersten Klirren auf, sah mich aber nicht an, sondern rollte sich, den Rücken zu mir, zusammen und blieb, von kurzen Krämpfen geschüttelt, so liegen, bis das Getöse aufhörte. Die Hühner im Hof und die nächtlichen Hunde verstärkten den Radau. Zum Schluss, mit der blendenden Hellsicht des Zorns, hatte ich noch die Eingebung, das Haus anzuzünden, da tauchte in der Tür die unerschütterliche Gestalt von Rosa Cabarcas im Nachthemd auf. Sie sagte nichts. Mit einem Blick stellte sie das Inventar des Desasters zusammen und vergewisserte sich, dass das Mädchen da war, wie eine Schnecke zusammengerollt, die Arme schützend über den Kopf gelegt: in Todesangst, aber unversehrt.
    »Du lieber Gott!«, rief Rosa Cabarcas aus. »Was hätte ich nicht für eine solche Liebe gegeben!«
    Mit einem barmherzigen Blick maß sie mich von oben bis unten und befahl: Komm mit. Ich folgte ihr bis in ihr Haus, schweigend schenkte sie mir ein Glas Wasser ein, machte mir ein Zeichen, mich ihr gegenüberzusetzen, und forderte mich zur Beichte auf. Also, sagte sie, jetzt benimm dich mal wie ein Erwachsener und erzähl: »Was ist mit dir los?«
    Ich erzählte ihr, was für mich die offenbare Wahrheit war. Rosa Cabarcas hörte mir schweigend zu, ohne Erstaunen, und endlich wirkte sie wie erleuchtet. Wundervoll, sagte sie. Ich habe schon immer gesagt, dass die Eifersucht mehr als die Wahrheit weiß. Und dann erzählte sie mir vorbehaltlos, was wirklich geschehen war. In der Tat, sagte sie, in der Aufregung der Mordnacht habe sie das im Zimmer schlafende Mädchen vergessen. Einer ihrer Kunden, im Übrigen der Rechtsanwalt des Toten, hatte mit vollen Händen Bestechungs- und Trinkgelder verteilt und Rosa Cabarcas in ein Kurhotel nach Cartagena eingeladen, bis der Skandal verraucht wäre. Glaub mir, sagte Rosa Cabarcas, in all dieser Zeit habe ich ständig an dich und die Kleine gedacht. Vorgestern bin ich zurückgekommen und habe als Erstes dich angerufen, doch niemand hob ab. Die Kleine aber ist sofort gekommen, allerdings in einem so üblen Zustand, dass ich sie für dich erst ein-mal gebadet, gekleidet und in einen Schönheitssalon geschickt habe

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