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Erinnerung an meine traurigen Huren

Erinnerung an meine traurigen Huren

Titel: Erinnerung an meine traurigen Huren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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mit der Anweisung, man solle sie -wie eine Königin herrichten. Du hast sie ja gesehen: perfekt. Die Luxusklamotten? Das sind die Kleider, die ich für die ärmsten meiner Dirnen ausleihe, wenn sie mit den Freiern zum Tanz gehen sollen. Der Schmuck? Gehört mir, sagte sie. Schon wenn man ihn berührt, merkt man, dass es sich um Diamanten aus Glas und Flitter aus Weißblech handelt. Also, sagte sie abschließend, mach keinen Ärger, geh hin, weck sie, bitte sie um Verzeihung und nimm dich ihrer ein für alle Mal an. Niemand hat es verdient, glücklicher zu sein als ihr.
    Mit einer übernatürlichen Anstrengung versuchte ich ihr zu glauben, doch die Liebe war stärker als die Vernunft. Huren!, rief ich, gemartert von dem lodernden Feuer, das in meinen Eingeweiden brannte. Nichts anderes seid ihr!, schrie ich, Scheißhuren! Ich will nichts mehr von dir oder von sonst einer Schlampe auf der Welt wissen, und erst recht nichts von ihr. An der Tür nahm ich mit einer Handbewegung Abschied für immer. Rosa Cabarcas bezweifelte es nicht.
    »Geh mit Gott«, sagte sie mit trauriger Miene und kehrte in ihr wirkliches Leben zurück. »Wie auch immer, ich schick dir die Rechnung für das Chaos, das du im Zimmer angestellt hast.«

5
    Bei der Lektüre von Die Iden des März stieß ich auf einen düsteren Ausspruch, den der Autor Julius Cäsar zu schreibt: Fast zwangsläufig wird man schließlich zu der Person, für die einen die anderen halten. Ich konnte den Satz zwar weder in den Werken Julius Cäsars noch in denen seiner Biographen, von Sueton bis Carcopino, finden, doch es schadete nicht, ihn zu kennen. Auf mein Leben in den folgenden Monaten angewandt, gab mir der Fatalismus des Ausspruchs die nötige Entschlossenheit, diesen Bericht nicht nur zu schreiben, sondern ihn auch ohne falsche Scham mit der Liebe zu Delgadina beginnen zu lassen.
    Ich hatte keinen Augenblick Ruhe, aß kaum einen Bissen und verlor so viel Gewicht, dass die Hosen keinen Halt mehr fanden. Unbestimmte Schmerzen setzten sich in den Knochen fest, meine Stimmung wechselte ohne Grund, und ich verbrachte die Nächte in einem aufgeputschten Zustand, der mir nicht erlaubte zu lesen oder Musik zu hören, durch den Tag dagegen tappte ich in einer tumben Benommenheit, die auch nicht zum Schlafen taugte.
    Der Himmel half mir. In der überfüllten Gondel von Loma Fresca flüsterte mir eine Frau auf dem Nachbarsitz, die ich nicht hatte einsteigen sehen, ins Ohr: Na, treibst du es noch? Es war Casilda Armenta, eine wohlfeile Liebe aus alten Zeiten, die mich schon in ihrer stolzen Jugend als Stammkunden ertragen hatte. Im Ruhestand dann, kränklich und mittellos, hatte sie einen chinesischen Gärtner geheiratet, der ihr einen Namen und Schutz gab und vielleicht ein wenig Liebe. Mit dreiundsiebzig Jahren wog sie so viel wie eh und je, war immer noch schön und eigenwillig und hatte sich die Ungezwungenheit ihres Berufs erhalten.
    Sie nahm mich mit zu sich nach Hause, in einen chinesischen Gemüsegarten, der auf einem Hügel an der Landstraße zum Meer lag. Wir setzten uns in die Strandstühle auf der schattigen Terrasse, zwischen Farne, üppige Astromelien und Vogelkäfige, die vom Vordach hingen. Auf dem Hang sah man die chinesischen Gärtner mit ihren kegelförmigen Hüten unter sengender Sonne Gemüsepflänzchen setzen und dahinter das graue Meer der Bocas de Ceniza, mit den Wellenbrechern aus Fels, die den Fluss noch mehrere Meilen ins Meer hinaus kanalisieren. Während wir plauderten, sahen wir einen weißen Ozeanriesen in die Mündung einfahren, und wir verfolgten ihn schweigend, bis wir sein Brüllen eines traurigen Stiers am Flusshafen hörten. Sie seufzte. Fällt dir etwas auf? Es ist das erste Mal seit einem halben Jahrhundert, dass ich dich nicht im Bett empfange. Wir sind nicht mehr dieselben, sagte ich. Sie fuhr fort, ohne mich zu hören: Immer wenn sie etwas über dich im Radio sagen, dir Achtung zollen, weil die Leute so an dir hängen und dich Meister der Liebe nennen, dann, stell dir vor, denke ich, dass niemand deinen Charme und deine Unarten so gut gekannt hat wie ich. Im Ernst, sagte sie, niemand hätte dich besser ertragen können.
    Ich wurde weich. Sie spürte es, sah meine feuchten Augen, und erst da merkte sie wohl, ich war nicht mehr der, der ich gewesen war, und ich hielt ihrem Blick stand, mit einem Mut, dessen ich mich nie für fähig geglaubt hätte. Ich werde eben alt, sagte ich. Wir sind es schon, seufzte sie. Innerlich spürt man es

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