Erinnerung an meine traurigen Huren
Mädchen, nackt und schutzlos, wie ihre Mutter sie geboren hatte. Die Kleine lag halb auf der Seite, das Gesicht zur Tür, von einem grellen Deckenlicht beleuchtet, das kein Erbarmen kannte. Ich setzte mich auf den Bettrand und betrachtete sie, alle fünf Sinne verzaubert. Ihr Leib war braun und warm. Man hatte sie einer Hygiene- und Schönheitskur unterzogen, die nicht einmal den zarten Flaum ihrer Scham verschont hatte. Ihr Haar war in Locken gelegt und die Nägel an Händen und Füßen durchsichtig lackiert, die melassefar-bene Haut aber wirkte rauh und vernachlässigt. Die knospenden Brüste waren fast noch die eines Knaben, doch schienen sie von einer heimlichen Energie bedrängt, die kurz vor dem Ausbruch stand. Das Beste an ihr waren die großen Füße für einen geschmeidigen Tritt, mit langen Zehen, sensibel wie Finger. Trotz des Ventilators war das Mädchen mit glitzerndem Schweiß überzogen, und die Hitze wurde im Laufe der Nacht noch unerträglicher. Es war kaum zu erahnen, wie das Gesicht wirklich aussah, das voll gekleistert war mit einer dicken Kruste Reispulver, zwei Rougepflastern auf den Wangen und falschen Wimpern; Brauen und Lider waren schwarz gerußt und die Lippen wie mit Schokoladenguss vergrößert. Doch weder Putz noch Schminke konnten ihr Wesen verbergen: die stolze Nase, die zusammengewachsenen Brauen, die heftigen Lippen. Ich dachte: ein sanfter Kampfstier.
Um elf ging ich zu meinen routinemäßigen Verrichtungen ins Bad, wo ihre ärmlichen Kleider mit bürgerlicher Sorgfalt auf einem Stuhl geordnet lagen: ein Baumwollkleid mit aufgedruckten Schmetterlingen, eine gelbe Unterhose aus Mischgewebe und Sandalen aus Agavenfasern. Auf der Kleidung lag ein billiges Armband und ein dünnes Kettchen mit einem Medaillon der Heiligen Jungfrau. Auf der Ablage des Waschbeckens stand eine Handtasche, darin ein Lippenstift, ein Rougedöschen, ein Schlüssel und ein paar lose Münzen. Alles war so billig und abgenutzt, dass ich mir niemanden vorstellen konnte, der ärmer gewesen wäre als sie.
Ich entkleidete mich und hängte die Stücke, so gut es ging, auf den Kleiderbügel, damit die Seide des Hemds und das gebügelte Leinen keinen Schaden nahmen. Ich urinierte in das Kettenklosett, im Sitzen, wie es mir Florina de Dios als Kind beigebracht hatte, um nicht den Beckenrand zu bespritzen, und immer noch, in aller Bescheidenheit, mit einem schnellen und steten Strahl wie ein wildes Fohlen. Bevor ich das Bad verließ, schaute ich in den Spiegel über dem Waschbecken. Das Pferd, das mir entgegensah, war nicht tot, sondern traurig, hatte ein päpstliches Doppelkinn, aufgedunsene Lider, und das schüttere Haar war einst meine Musikermähne gewesen.
»Scheiße«, sagte ich zu ihm, »was kann ich schon tun, wenn du mich nicht magst?«
Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, setzte ich mich nackt auf das Bett, die Augen hatten sich schon an das trügerische rote Licht gewöhnt, und ich untersuchte sie von Kopf bis Fuß. Mit der Kuppe des Zeigefingers fuhr ich über ihren nassen Nacken, und sie erschauerte im Innersten wie bei einem Harfenakkord, drehte sich knurrend zu mir um und hüllte mich in ihren säuerlichen Atem. Mit Daumen und Zeigefinger drückte ich ihr die Nase zu, und sie schüttelte sich, zog den Kopf weg und wandte sich ohne aufzuwachen von mir ab. Eine unverhoffte Erregung brachte mich darauf, mit dem Knie zwischen ihre Beine zu dringen. Den ersten zwei Versuchen widerstand sie mit angespannten Schenkeln. Ich sang in ihr Ohr:
Um das Bett von Delgadina schweben Engelchen im Chor. Sie entspannte sich ein wenig. Warm strömte es durch meine Adern, und das träge pensionierte Tier erwachte aus seinem langen Schlaf.
Delgadina, mein Herz, flehte ich voller Verlangen. Delgadina. Sie stieß einen dunklen Klagelaut aus, entzog sich meinen Beinen und rollte sich zusammen wie eine Schnecke in ihrem Haus. Der Baldriantrunk muss für mich wie für sie gleichermaßen wirksam gewesen sein, denn nichts geschah, weder ihr noch sonst jemandem. Aber das machte mir nichts aus. Ich fragte mich, wozu ich sie hätte wecken sollen, gedemütigt und traurig, wie ich mich fühlte, kalt wie eine Seebarbe.
Deutlich, unentrinnbar, schlugen die Glocken dann zur Mitternacht, und es begann der 29. August, Tag des Martyriums von Johannes dem Täufer. Irgendjemand auf der Straße heulte laut, und keiner kümmerte sich darum. Ich betete für ihn, falls es ihm Not tun sollte, und auch für mich, als Dank für die empfangenen
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