Erinnerung an meine traurigen Huren
schrieb weiter mit der Hand und tippte dann, mühsam wie ein Huhn pickend, den Text ab, dank der zweifelhaften Ehre, der älteste Angestellte zu sein. Heute, pensioniert, aber nicht besiegt, genieße ich das heilige Vorrecht, daheim zu schreiben, mit ausgehängtem Telefon, damit keiner mich stört, und ohne Zensor, der über meine Schulter das Geschriebene belauert.
Ich lebe ohne Hunde, Vögel oder Personal, abgesehen von der treuen Damiana, die mir aus den unwahrscheinlichsten Verlegenheiten geholfen hat und noch heute einmal in der Woche kommt und das erledigt, was anfällt, auch wenn Augen und Verstand bei ihr nachgelassen haben. Auf dem Totenbett hatte meine Mutter mich angefleht, ich möge jung eine weiße Frau heiraten und mindestens drei Kinder bekommen, darunter sollte ein Mädchen mit ihrem Namen sein, dem Namen, den schon ihre Mutter und Großmutter getragen hatten. Ich nahm die Bitte ernst, hatte aber eine so flexible Vorstellung von Jugend, dass mir Eile nie geboten schien. Bis ich mich an einem heißen Mittag im Haus der Palomares de Castro in Pradomar in der Tür irrte und Ximena Ortiz, die jüngste Tochter, nackt beim Mittagsschlaf überraschte. Sie lag mit dem Rücken zur Tür, hob aber so schnell den Kopf und sah mich über die Schulter an, dass ich keine Zeit hatte, mich davonzustehlen. Oh, Verzeihung, stammelte ich mit stockendem Atem. Sie lächelte, drehte sich mir mit gazellenhaftem Schwung zu und zeigte ihren ganzen Leib. Die Luft im Raum war geschwängert von ihrem Körper. Sie war nicht splitternackt, denn hinter ihrem Ohr steckte eine giftige, orangefarbene Blüte, ganz wie bei der Olympia von Manet, und wie diese trug sie einen goldenen Armreif am rechten Handgelenk und um den Hals eine Kette aus winzigen Perlen. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass ich im Leben je etwas Aufreizenderes zu sehen bekäme, und kann heute bestätigen, ich hatte Recht.
Ich schlug die Tür hinter mir zu, beschämt über mein Ungeschick und fest entschlossen, sie zu vergessen. Doch Ximena Ortiz ließ das nicht zu. Sie schickte mir Botschaften über gemeinsame Freunde, provozierende Billets, brutale Drohungen, dieweil das Gerücht umging, wir seien in Liebe füreinander entbrannt, ohne je ein Wort gewechselt zu haben. Es war unmöglich zu widerstehen. Sie hatte die Augen einer verwilderten Katze, einen Leib, der mit Kleidern ebenso verlockend war wie ohne, und eine üppige Mähne aus aufgewühltem Gold, deren Weibsgeruch mich vor Wut ins Kissen weinen ließ. Ich wusste, es würde nie Liebe daraus werden, doch sie übte einen satanischen Reiz auf mich aus, und ich war derart entflammt, dass ich mich bei jedweder grünäugigen kleinen Schlampe, die mir über den Weg lief, zu erleichtern suchte. Das Bild von Ximena Ortiz auf ihrem Bett in Pradomar brannte so sehr in meiner Erinnerung, dass ich mich schließlich ergab; ich hielt förmlich um ihre Hand an, Ringe wurden getauscht und eine große Hochzeit noch vor Pfingsten angekündigt.
Die Nachricht führte im Barrio Chino zu größerer Aufregung als in den Klubs der besseren Gesellschaft. Erst wurde nur gespottet, aber dann kam es zu echtem Ärger bei den diplomierten Damen, die in der Ehe eher etwas Lächerliches denn etwas Heiliges sahen. Meine Verlobungszeit genügte allen Riten der christlichen Moral. Wir saßen auf einer Terrasse zwischen tropischen Orchideen und Farnen, die am Haus der mir Versprochenen herabhingen. Ich sprach um sieben Uhr abends vor, ganz in weißem Leinen und mit irgendeinem Geschenk, kunsthandwerklichem Schnickschnack oder Schweizer Schokolade, und wir unterhielten uns, halb verschlüsselt, halb direkt, bis um zehn, bewacht von Tante Argenida, die beim ersten Lidschlag einschlief, wie es die Anstandsdamen in den Romanen der Zeit zu tun pflegten.
Je besser wir uns kennen lernten, desto begehrlicher wurde Ximena, und in der drückenden Hitze des Junis befreite sie sich dann von Miedern und Unterröcken, und es war ohne weiteres vorstellbar, welch zerstörerische Macht sie im Halbdunkel entfalten würde. Nachdem wir zwei Monate verlobt waren, hatten wir uns nichts mehr zu sagen, und sie brachte ohne Worte das Thema Kinder auf, indem sie begann, aus reiner Wolle Baby-schuhchen zu häkeln. Ich, ganz der artige Verlobte, lernte von ihr das Häkeln, und so vergingen uns die unnützen Stunden bis zur Hochzeit, ich häkelte hellblaue Schuhchen für die Knaben und sie rosafarbene für die Mädchen, wir lagen im Wettstreit, wer Recht
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