Erinnerung Des Herzens
Julia.
14
»Ich glaube, dass ich immer noch unter meiner Desillusionierung durch Tony litt«, sagte Eve. »Es war ein paar Jahre nach unserer Scheidung, aber ich war immer noch leicht verwundbar. Ich hatte Tony gezwungen, mir das Haus zu überschreiben und ihn hinausgesetzt. Aber dabei blieb es nicht. Es machte mir Spaß, mich in Immobilien zu versuchen.« Sie sagte das so beiläufig, dass man nicht ohne weiteres auf die Idee gekommen wäre, dass sie mehr als zwanzig Millionen in Grundstücken angelegt hatte. »Möchten Sie nicht etwas Tee?« fragte sie dann. »Er ist noch warm, und Nina hat zwei Tassen gebracht.«
»Danke.«
»Ich hatte gerade dieses Grundstück gekauft«, fuhr sie fort, als Julia sich einschenkte. »Es waren eine Reihe von Umbauten und Renovierungen erforderlich, und man kann sagen, dass sich mein Leben gerade stark veränderte.«
»Aber nicht in beruflicher Hinsicht.«
»Nein.« Eve lächelte durch einen dichten Rauchschleier. »Aber auch im Filmgeschäft war vieles im Fluss. Wir schrieben die frühen sechziger Jahre, und die Gesichter hatten sich geändert, waren jünger geworden. Greta Garbo hatte sich zurückgezogen, James Dean war tot und Marilyn Monroe hatte nur noch ein paar Monate zu leben. Aber bedeutungsvoller als die Mißachtung und Unterdrückung dieses großen Talentes und die Vergeudung von zwei jungen Leben war die Auswechslung der ersten Garde von Schauspielern. Fairbanks, Flynn, Power, Gable, Crawford, Hayworth, Garson, Turner. All diese schönen Gesichter und großen Talente wurden ersetzt oder zumindest herausgefordert durch andere Gesichter, andere Talente. Den großartigen Paul Newman, den jungen, schneidigen Peter O'Toole, die ätherische Ciaire Bloom, die knabenhafte Audrey Hepburn.« Wieder seufzte sie, als sie daran dachte, dass auch diese Garde inzwischen längst erneut gewechselt hatte. »Hollywood ist eine Frau, Julia. Es jagt immer hinter der Jugend her.«
»Aber es weiß auch Ausdauer zu würdigen.«
»Ja. Ja, das ist wahr. Als ich Victor bei den Aufnahmen zu unserem ersten gemeinsamen Film begegnete, war er noch nicht vierzig. Nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht alt genug, um ihm das Markenzeichen der Ausdauer zu verleihen. Und ich, Himmel, ich hatte mir noch nicht einmal die Augenlider liften lassen.«
Julia musste grinsen. Wo sonst als in Hollywood mochten Menschen ihr Alter nach den kosmetischen Eingriffen zählen, die sie hatten vornehmen lassen? »Der Film hieß Dead Heat. Er brachte Ihnen Ihre zweite Academy Award.«
»Und er brachte mir Victor.« Eve zog die Beine auf die Couch. »Wie schon gesagt, war ich immer noch verletzt von meiner letzten Ehe. Ich mißtraute Männern, obwohl ich natürlich wusste, dass sie ihre Vorteile hatten, und ich mich nicht scheute, sie für meine Zwecke zu benutzen. Ich freute mich auf diesen Film, besonders weil ich wusste, dass Charlotte Miller sich verzweifelt um die Rolle bemüht hatte, die ich nun an ihrer Stelle bekommen hatte. Und weil ich mit Victor zusammenarbeiten würde, der als Schauspieler auf der Bühne und beim Film einen sagenhaften Ruf besaß.«
»Sie sind ihm doch gewiss schon vorher begegnet?«
»Nein, tatsächlich nicht. Zufällig hatten unsere Wege sich nie gekreuzt. Er hat oft im Osten Theater gespielt, und wenn er hier in Kalifornien war, nahm er kaum an gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, wenn man die gelegentlichen Trinkgelage mit einer Gruppe von anderen Männern nicht mitrechnet. Wir trafen uns im Studio. Und in Sekundenschnelle war es passiert.«
Gedankenverloren fuhr Eve mit dem Finger mehrmals über das Revers ihres Kleides. Sie hatte die Augen zusammengezogen, als wäre sie darauf konzentriert, einen nagenden Schmerz auszuschalten. »Die Leute reden manchmal beiläufig, scherzend, wehmütig über Liebe auf den ersten Blick. Ich glaube nicht, dass es oft vorkommt, aber wenn das der Fall ist, ist es unwiderstehlich und gefährlich. Wir sagten uns all die höflichen Phrasen, die Fremde im gleichen Beruf zu Beginn eines wichtigen Projektes miteinander austauschen. Aber unter dieser glatten Oberfläche brannte schon das Feuer. Das klingt furchtbar abgedroschen, aber es ist wahr.«
Abwesend rieb sie sich die Schläfe. »Haben Sie Kopfschmerzen?« fragte Julia. »Soll ich Ihnen irgendetwas bringen?«
»Nein, es ist nichts.« Eve zog an ihrer Zigarette und zwang sich, nicht an den Schmerz zu denken, sondern an die Vergangenheit. »Anfänglich ging alles sehr gut. Ich spielte ein
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